Ein Wort vorab.
Dieses Hörbuch wird von einer künstlichen Intelligenz, also einem Computer vorgelesen. Dieser Computer ist nicht wirklich intelligent, kann aber Texte vorlesen. Bei einigen wenigen Worten zeigt er noch seine beschränkten Fähigkeiten. Das ist meistens sehr lustig. Deshalb bittet der Verlag um Nachsicht und hofft trotzdem, dass Sie dieses kleine Hörbuch genießen können. Bitte ziehen Sie Ihren persönlichen Nutzen für sich und Ihre Beziehung aus dieser kleinen Geschichte.
Und schon geht es los.
Liebe Hörerin,
lieber Hörer
Danke, dass du dieses Buch gekauft hast.
So viel kann ich dir jetzt schon verraten:
In dieser Geschichte wirst du immer wieder das Gefühl haben, dass dein Leben Revue passiert. Aber keine Angst – am Ende wird alles gut!
Versprochen.
Ich wünsche dir viel Spaß beim Hörem und eine glückliche und erfüllende Partnerschaft
Deine Nena C.
Bin gleich wieder für dich da.
Ich brauche nur eine Minute für mich selbst, um eine glückliche Partnerschaft zu führen.
Höre jetzt zunächst das Vorwort aus Sicht einer Frau
In hochhackigen Schuhen über den roten Teppich
Wie muss ER sein, um SIE glücklich zu machen?
Oder was muss Frau tun, um Mann in einen lieben Kater mit nur gestutzten Krallen zu verwandeln?
Die einzige Antwort, die es darauf gibt, ist:
Frau muss sich ändern. Frau muss egoistisch werden und ihren Bedürfnissen nachgehen, damit Mann merkt, dass Frau auch an seiner Seite ein eigenständiges Leben führt und ihr Leben aktiv selbst gestaltet.
Beziehungsstress ist eines der häufigsten Themen unserer Zeit. Viele Frauen sind in ihrer Ehe oder Partnerschaft todunglücklich, und ER weiß nicht einmal etwas davon.
Nun, wie wir alle wissen, gibt es kein Patentrezept für eine harmonische Partnerschaft. Doch eines gibt es ganz bestimmt: Nämlich die Möglichkeit, gemeinsam den Weg dorthin zu beschreiten und die Werte und Normen einer Partnerschaft für beide zu erreichen.Was also macht Frauen oft so fertig in einer Beziehung?
Sehen wir uns doch einmal in den Beziehungen unseres Bekanntenkreises um. Wer schwingt denn in fast allen Beziehungen das Zepter? Wer bestimmt, wann Urlaub gemacht wird? Der Zielort steht doch in der Regel sowieso schon lange fest.
Wer sagt, wann welches Auto angeschafft wird? Wer bestimmt, wohin am Sonntag der Ausflug gemacht wird. Diese Liste könnte ich unendlich fortsetzen.
Aber weißt du, was mich daran am meisten aufregt?
Die Tatsache, dass viele von uns sich fügen, nur um des lieben Friedens willen. Und ER bemerkt gar nicht, wie sehr uns das alles stinkt.
Selbst schuld! Sag ihm, dass du seine Aktion als seltsame egoistische Aktion empfindest!
Aus eigener Erfahrung kann ich dir versichern, dass meine Beziehungen auch nicht immer nur ein Zuckerschlecken für mich waren, denn auch ich erlebte dieses Exemplar Mann. Ich teilte mein Leben streckenweise mit einem von diesen, von diesen rücksichtslosen Egoisten.
Er hatte wirklich keine Ahnung, wie er mit einem so zarten Modell, wie ich es bin, umgehen sollte. Er hatte keine Ahnung. Seine Bedürfnisse standen im Vordergrund und ich war oft viel zu überrumpelt, als dass ich mich hätte wehren können.
Dafür wurde ich dann trotzig, blieb im Bett liegen, wenn er wieder einmal samstags um 8 Uhr in der Früh eine Fahrradtour machen wollte. Oder ich war den ganzen Tag schlecht gelaunt. Er wusste nie, was eigentlich los war.
Ich beobachtete meine Freundinnen in ihren Beziehungen und beobachtete fast immer das gleiche Phänomen wie in meiner Beziehung. Mann bestimmte, wo es im Leben lang ging. Und Frau fügte sich bestenfalls murrend oder auch zickend.
Doch ich kann von dem Wunderbaren berichten: Frauen, die nach den Grundsätzen dieses Buches zu leben anfingen, änderten ihre Beziehungen zum Besseren.
Sie führten ihre Männer in die Geheimnisse harmonischer Beziehungen ein. Sie begannen, ihre Partnerschaften wieder neu zu entdecken. Sie wurden glücklich und zufriedener.
Auch ich genieße heute mein Leben mit einem Partner, der auf meine Bedürfnisse Rücksicht nimmt, und ich kann nur sagen, dass es mindestens zur Hälfte mit an uns Frauen liegt, was aus unserer Ehe oder Partnerschaft wird, und wie glücklich wir sind.
Ich habe jedenfalls gelernt, meine Bedürfnisse zunächst zu befriedigen, ohne jedes mal darüber nachzudenken, ob es meinem Partner recht sein wird. Seitdem ich das tue, bin ich viel zufriedener. Und das macht sich in meiner Beziehung bemerkbar. Denn nur wenn es mir gut geht, kann ich auch meinem Partner Gutes tun!
Noch ein letzter Appell, bevor du durch dieses Buch die Fähigkeit erlangst, deinen rücksichtslosen Egoisten in einen zärtlichen, liebevollen rücksichtsvollen Egoisten zu verwandeln:
Dieser Egoismus steckt in jedem von uns. Wir Frauen unterdrücken ihn aus mir oft unerfindlichen Gründen viel zu sehr, wodurch wir den Männern damit die Möglichkeit eröffnen, ihren rücksichtslosen Egoismus hemmungslos auszuleben. Nur wenn du zufrieden bist, kannst du auch für ihn da sein.
Und, um auch mal die Partei der Männer zu ergreifen:
In jedem von ihnen steckt dieser süße, rücksichtsvolle Egoist.
Er muss nur auch einmal die Gelegenheit dazu bekommen, diese Seite von sich kennenzulernen.
Und dies funktioniert nur, wenn du, liebe Freundin ab sofort anfängst, egoistisch, aber rücksichtsvoll egoistisch, zu sein.
Gib deinem Partner einmal Anlass, über sich und euere Beziehung nachzudenken. Sag ihm, dass du eine glückliche Beziehung mit ihm führen willst und das ihr nur dann füreinander da sein könnt, wenn es dir und ihm gut geht.
Und noch etwas ganz Wichtiges: Erwarte bitte nie von deinem Mann oder Freund, dass er riechen kann, was du dir gerade für deine Beziehung wünschst. Das A und O einer guten Partnerschaft ist mit Sicherheit das Gespräch, in dem jeder ganz klar seine Bedürfnisse benennt. Wenn es sein muss, auch mal ein wenig lauter als gewohnt.
Wenn du dich danach fühlst, haue auch ruhig einmal mit der Faust auf den Tisch. Ich kann dir aus eigener Erfahrung versichern, dass dein Partner komisch aus der Wäsche schauen wird, wenn das liebe Kätzchen auch einmal zur Raubkatze wird. Denn wie gesagt: du kannst nur dann für ihn da sein, wenn es auch dir gut geht.
Viel Spaß nun auf dem Weg in eine rücksichtsvoll egoistische glückliche Beziehung.
Deine Nena C.
Jetzt hörst du eine Einleitung aus Sicht eines Mannes
Du musst das rechte Pedal nach unten treten. Dann wird die Landschaft schneller.
Was ist es denn nun: ein Buch für Männer oder ein Buch für Frauen?
Eigentlich für Männer … aber, ich kenne die Männer. Schließlich bin ich ja einer. Männer verhalten sich oft rücksichtslos und egoistisch. Das müssen wir auch, denn da draußen herrscht Krieg. Krieg um Geld, um Frauen, um Ruhm und um Erfolg. Das hängt alles zusammen. Deshalb gewinnen nur die Egoisten, die Psychos!
Sind Männer deshalb schlecht?
Sicher nicht. Männer haben in den meisten Fällen nie gelernt, dass sie auch rücksichtsvoll sein können. Schließlich muss ER die Familie verteidigen, muss ER das Futter heranschaffen, muss ER die Kartoffeln aus dem Feuer holen, muss ER den Karren aus dem Dreck ziehen. ER muss sich für die Familie in der gefährlichen und harten Welt durchsetzen. ER muss kämpfen, damit er seinen traditionellen Rollen gerecht wird. ER muss „fressen“, damit ER nicht „gefressen“ wird. Das ist doch nur natürlich.
Deshalb muss ER rücksichtslos sein, vor allem, wenn’s sozusagen um die Wurst geht. Und eins ist sicher auch richtig: SIE mag es, in vielen Fällen, beschützt und umsorgt zu werden.
Und hier beginnt die Schwierigkeit: Männern ist in der Regel der Unterschied zwischen beschützen und bevormunden nicht so ganz klar. Nach dem Motto „Ich weiß schon, was gut für dich ist, schließlich muss ich ja jeden Tag meinen Mann stehen“, kommt es immer wieder zur Bevormundung. Tja, was soll man da machen? Die meisten Männer meinen es doch nur gut!
Und weil sie es nur gut meinen, schießen sie eben oft über das Ziel hinaus. Und das deshalb, weil sie nicht wissen, wo die Ziellinie gezogen ist und wann die Ziellinie überschritten ist.
Natürlich gibt es auch die Männer, die es nicht gut, in diesem Sinne, meinen. Für den Fall gibt es nur eine Lösung: Trennung. Ohne Wenn und Aber.
Doch zurück zu den Männern, die nur der natürlichen Schutzrolle des Mannes folgen. Sie bevormunden nicht bewusst! Daraus folgt: Es muss dem Manne erst einmal bewusst werden, was er da macht. Und genau an dieser Stelle sind die Frauen gefordert.
SIE muss IHN darüber aufklären, dass es keine wilden Tyrannosaurus Rex mehr gibt, die die Familie bedrohen.
SIE muss IHN darüber informieren, dass schiere Kraft nicht mehr notwendig ist, um den Bedrohungen unserer modernen Gesellschaft gerecht zu werden. Denn ganz tief in seinem Reptiliengehirn sind diese Gefahren verankert und deswegen ist er so, wie er ist.
Zurück zur Frage, für wen dieses Buch ist. Um es vorwegzunehmen: es ist für Männer, die mehr als ihr Reptilienhirn einsetzen um die Welt der Partnerschaft zu verstehen. Wohlgemerkt, diese Anlage, die tief im Innersten der Männer verwurzelt ist, ist nicht per se schlecht. Gerade dieses Verhalten hat dafür gesorgt, dass die Menschen überlebt haben und nicht verhungert sind oder von wilden Tieren zerfleischt wurden. Leider ist dieses Programm heutzutage nicht mehr zeitgemäß und zu viele Männer hängen darin fest.
Und hier kommen die Frauen ins Spiel. Die Frauen müssen den Männern helfen, dieses fatale Programm zu verlassen. Sie müssen den Mann verführen, den Mann animieren, den Mann mitziehen. Sie müssen den Mann lehren, ein rücksichtsvoller Egoist zu werden. Um das zu erreichen, muss der Mann sein angestammtes Programm verlassen und das geht nur mit der Hilfe der Frauen. Und dabei ist allerhöchste Achtung geboten, denn diese Hilfsaktion darf nicht dieses Schutzprogramm selbst auslösen.
Wenn die Frauen also mit der Keule versuchen dem Mann Verständnis einzubleuen, dann wird genau dieses Kampfprogramm ausgelöst und dann geht nichts mehr. Deshalb kann ich allen Leserinnen nur einen Rat geben: „Versucht es mit Liebe und Verständnis und vor allen Dingen, lebt euren Partnern vor, wie es ist, eine rücksichtsvolle Egoistin zu sein.“
In der Anfangsphase musst du sogar eine rücksichtsvolle und verständnisvolle Egoistin sein. Nur dann kannst du sein Reptiliengehirn überlisten.
Für wen ist dieses Buch denn nun? Vielleicht doch für Frauen, die erst einmal dieses Konzept verstehen, dann danach leben und dann mit aller Behutsamkeit ihren Partner in dieses Thema einführen.
Viel Erfolg und eine harmonische Partnerschaft wünscht dir liebe Leserinnen und lieber Leser
Dein Joe Martin
Nun beginnt die Geschichte, die ich als Frau, aus der Sicht eines Mannes erzähle.
Viel Spass beim zuhören.
Gibt es überhaupt eine Zukunft?
Unser Held hatte sich wieder einmal mit seiner Frau Nena gestritten – für uns ist es ein Held, weil er seine Partnerschaft am Ende doch noch richten kann – und fand sich im Los Papasitos wieder. Dieses mexikanische Lokal war sein Stammlokal gewesen und hier hatte er seine junge, hübsche Frau zum ersten Mal gesehen.
Dort drüben, auf der anderen Seite des Tresens hatte sie gesessen und einen Margarita geschlürft – einen Strawberry-Margarita.
Jetzt, ein paar Jahre später, war er alleine hier und dachte über den Streit nach. Er stritt sich in letzter Zeit immer häufiger mit ihr. Doch, verflixt und zugenäht, er liebte sie schier unendlich; und jedes mal, wenn er sich mit ihr stritt, tat es ihm auch sofort danach leid. Ein Seufzer entschlüpfte seinen Lippen. Der Typ neben ihm hatte es wohl gehört. Warum sonst sollte er sich ihm wohl zuwenden und fragen: „Hey, was ist los mit dir?“
„Nichts“, hatte er geantwortet; „es ist nichts“. Sein Gegenüber murmelte daraufhin irgendetwas von: „Das glaubst du ja selbst nicht“, und drehte sich wieder dieser Blonden zu.
Warum war er nur wieder hier gelandet? Warum hatte er sich schon wieder mit ihr gestritten? Wegen einer Lappalie – wie immer! Sie, die Frau, die er liebte, hatte nun einmal in gewissen Dingen andere Ideen als er, und sie hatte andere Bedürfnisse. Außerdem war sie schließlich nicht nur für ihn da. Sie hatte andere soziale Kontakte und sie hatte eben nicht immer Interesse an seinen doofen Geschäften; so zumindest titulierte sie das, was er täglich machte.
Er nannte es anders: sich den Arsch aufreißen, damit sie genug zum Leben hatten. Damit sie in Saus und Braus leben konnte.
Naja, zumindest, dass sie ein gutes beschwerdefreies Leben leben konnte. Damit sie mit ihren Freundinnen shoppen konnte, wann sie wollte. Damit sie sich diesen und jenen Fummel kaufen konnte und die passenden Schuhe. Und natürlich auch die passende Handtasche. Denn, nicht jede Handtasche passte zu jedem Paar Schuhe. Verrückt, dachte er.
Aber, wenn sie das alles wollte, dann muss sie manches Mal Konzessionen eingehen und sich auch mit Leuten abgeben, die sie nicht mochte. Und sie soll, ja sie muss, einfach aus Höflichkeit und Etikette auch mit diesen Menschen, seinen immerhin wichtigen Geschäftspartnern, die sie natürlich auch als „doof“ einstufte, zum Essen gehen. Das gehörte nun mal dazu. Punkt, Schluss, Ende der Diskussion!
Er merkte, dass dieses ärgerliche Gefühl wieder hochkam; geradeso wie vor zwei Stunden, denn das war es, warum er sich mit ihr rumgestritten hatte. Er wollte sich nicht ärgern, aber …
Vielleicht hilft ein Strawberry-Margarita, dachte er ironisch. Damit fing es damals an und eine unglaubliche Romanze begann, die schon bald endet, nachdem die Realität sie wieder einfing. Er bestellte sich den Drink und musste unwillkürlich an seine Freunde und Bekannten denken. Kein Grund zur Hoffnung. Alle, die er vor dem geistigen Auge sah, hatten ähnliche oder zum Teil noch schwerere Probleme in ihrer Beziehung, wenn sie überhaupt noch in der letzten Beziehung weilten. Die Probleme machten keinen Halt vor langjährigen Partnerschaften oder kurzfristigen Ehen. Frauen waren einfach zu kompliziert.
Er musste wohl einen sehr nachdenklichen, vielleicht sogar deprimierten Eindruck machen, denn Jürgen, der Barkeeper sprach ihn nun auch wieder, zum wiederholten Male, an.
„Hey, es geht mich ja nichts an, aber wie du sicher weißt, sind Barkeeper so was wie sensible Menschen. Wenn ich dir helfen kann, versuch es einfach einmal“.
„Bist du verheiratet?“, fragte er den Keeper und erwartete ein Ja. Um so erstaunter war unser Held, als er erfuhr, dass der Barkeeper gerade im Begriff war, seinen dritten Versuch zu starten. Der Mann hinter der Theke war allerhöchstens 30 Jahre alt. Ganz schön hoher Verschleiß.
„Du traust dich was“, sagte er, fast schon voller Ehrfurcht.
„Nun, ich wollte eigentlich nicht mehr“, antwortete der Barkeeper, während er virtuos seine Drinks mischte, „aber jetzt weiß ich wie es geht.“
„So, so, du weißt wie es geht?“ Er konnte es nicht fassen. Dieser Grünschnabel hatte schon zwei Ehen in Grund und Boden gerammt, und glaubte nun zu wissen wie es geht, mit seinen höchstens 30 Lenzen.
„Ich konnte die Geheimnisse einer guten Beziehung lernen, sagen wir eher studieren“, so der smarte Jüngling hinter dem Tresen. „Wenn du willst gebe ich dir die Telefonnummer meines ‘Meisters’ – so nenne ich ihn scherzhaft, obwohl er es nicht mag – und er kann dir die Geheimnisse auch verraten“, fuhr der Barkeeper fort.
„Im Moment würde ich jeden Rat annehmen und alles versuchen, denn irgendwie geht es nicht mehr so weiter“, seufzte unser Held.
„Ich will doch auf keinen Fall so enden wie du, und muss mir dann irgendwann mal Ehefrau Nummer drei suchen“, fügte er noch scherzhaft hinzu.
„Ja, da hast du recht“, lachte der Mann, der sich hinter der Theke solche Schicksale wohl immer wieder anhörte.
Zerstörte Ehen, zerrüttete Beziehungen, Ehekrach und Scheidung. Ab und zu mal eine handfeste Streiterei und sogar – Gott sei Dank sehr selten, aber doch hin und wieder – ein Unglücklicher, der sich das Leben nehmen will; das alles ist Alltag in unserer schnelllebigen Zeit.
Er kam nicht dazu über das Unglück dieser Erde weiter nachzudenken, denn der Barkeeper schob ihm einen Zettel über die Bar. „Hier ist das erste Geheimnis“, sagte er, fast schon frohlockend und keinesfalls geheimnisvoll. Während der Barkeeper sich wieder seinen anderen Gästen zuwandte, nahm unser Held, langsam und zögernd das Papier und drehte es um. Voller Erstaunen konnte er lesen:
Frauen sind auch Menschen.
Die Reise beginnt.
Es war inzwischen viertel nach elf und die leichten Kopfschmerzen wollten einfach nicht nachlassen. Unser Held saß inzwischen in seinem Büro und konnte sich nicht auf die Arbeit konzentrieren, die vor ihm lag. Immer wieder nahm er den Merkzettel, den ihm der Barkeeper gestern Abend gegeben hatte zur Hand und drehte ihn linksherum, rechtsherum und las ihn auch mal von oben nach unten.
Er wusste, dass es so in seiner Ehe auf keinen Fall weiterging und dass er irgendetwas tun wollte, um seine Beziehung vielleicht nicht gerade über Nacht zu retten, aber auf jeden Fall schnellstmöglich zu verbessern.
Aus dem einen Strawberry-Margarita wurden dann am letzten Abend doch noch vier oder fünf und deswegen plagte ihn der leichte Kopfschmerz.
Er war nach Hause gekommen als seine Frau schon schlief. Und weil er sehr leise zu Bett gegangen war, war sie auch nicht erwacht. Seit er nun seinen Arbeitsplatz eingenommen hatte, nahm er mindestens schon sechsmal den Hörer zur Hand und fing an, die Nummer von dem Mann zu wählen, von dem der Barkeeper behauptet hatte, dass dieser Mann die Geheimnisse zur perfekten Ehe kennt. Die Telefonnummer stand auf dem Merkzettel, den er gestern vom Barkeeper bekommen hatte und der ihn seitdem nicht mehr losließ.
Frauen sind auch Menschen, stand auf diesem Zettel. Seine Gedanken kreisten um diese Aussage und waren schon in die unterschiedlichsten Richtungen abgedriftet. Er konnte jedoch immer noch nicht verstehen, was das damit zu tun hat, ob eine Beziehung erfolgreich und glücklich ist, oder immer wieder im Streß endet.
Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper. Er richtete sich auf, griff nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer von dem Merkblatt ein siebtes, vielleicht ein achtes Mal. Er nahm sich vor, dass er es diesmal läuten lassen würde und dass er zumindest am Telefon mit dem „Meister der Beziehung“ reden würde. Schon nach dem zweiten Klingeln wurde abgehoben und eine tiefe männlich sonore Stimme meldete sich.
Kaum dass der andere seinen Namen nennen konnte, sprudelte unser Held los und schien nicht mehr aufzuhören, wobei er die Geschichte seiner Beziehung herunter ratterte, sodass der Mann am anderen Ende ihn unterbrechen musste.
Mit einem Lachen in der Stimme sagte der Meister der Beziehungen: „Langsam, langsam, junger Mann. Ich nehme an, Sie haben mein Merkblatt bekommen und mich deswegen angerufen. Weiterhin nehme ich an, dass Sie Probleme in Ihrer Beziehung haben, denke aber, dass es nicht am Telefon möglich ist, dieses Thema ausreichend zu diskutieren.“
Unser Held war völlig konsterniert und schämte sich ein bißchen, dass er den anderen gleich so überfallen hatte. Er sagte: „Entschuldigung, Sie haben vollkommen recht und ich weiß auch nicht genau, warum ich Sie überhaupt anrufe.“
Der Meister antwortete: „Nun mein Freund, vielleicht können wir es in einem persönlichem Gespräch klären. Was halten Sie denn davon, wenn Sie heute Abend zu mir nach Hause kommen? Dort können wir uns in aller Ruhe unterhalten. Dort werde ich Ihnen auch erklären, was ich damit meine, wenn ich sage: Frauen sind auch Menschen.“
Das war immerhin ein Funken Hoffnung, der sich für unseren Helden abzeichnete.
Die Stimme des erfahrenen „Meisters“ hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn und vielleicht lag es an dem Hoffnungsschimmer, auf jeden Fall waren seine Kopfschmerzen weg und er konnte sich für den Rest des Tages auf seine Arbeit konzentrieren. Er nutzte die Möglichkeiten der Gleitzeit und machte sogar etwas früher Feierabend, um auf jeden Fall pünktlich zu seiner Verabredung zu erscheinen.
Er war sehr gespannt, wo dieser erfahrene Ehemann wohnte, wie er lebte und nicht zuletzt war er sehr gespannt auf dessen Familie. In weniger als einer Stunde würde er all dieses erfahren.
Der Sinn der Ehe
Es war eine Villa, nicht pompös, nicht protzig, dennoch ein etwas besseres Einfamilienhaus in villenartigem Stil, in einer der vornehmeren Wohngegenden der Stadt. Der Garten war eine schiere Augenweide. Schien er doch gepflegt von einer aufmerksamen Hand mit mindestens einem grünen Daumen. Zögernd ging unser Held auf den Eingangsbereich und betätigte den Klingelknopf. Sofort schlug ein Hund an. Nicht gefährlich oder drohend, sondern mehr freudig. Ganz sicher war es ein kleiner Hund.
Nach kurzer Zeit öffnete ihm der erfahrene Ehemann und begrüßte ihn auf das herzlichste. „Kommen Sie herein, junger Mann“. Kaum dass er die Wohnhalle betrat, stürzte eine Horde Kinder ins Zimmer. Drei, vier. Vier Kinder, die nicht zögerten unseren Helden zu begrüßen und laut johlend willkommen zu heißen. Lachend stellte der erfahrene Ehemann seine Kinder vor und bat sie dann, ihn mit unserem jungen Helden alleine zu lassen.
Kommentarlos verschwanden die Vier mit lautem Johlen und nahmen auch gleich den Hund mit. Ein kleiner junger Bernhardiner. Der erste Eindruck war richtig. Es war ein kleiner Hund. Die Frage war jedoch wie lange noch?
Nachdem sie sich gesetzt hatten, fragte der erfahrene Ehemann: „Ganz sicher haben Sie sich seit gestern Abend, seit Jürgen Ihnen meinen Merkzettel gegeben hat, mit der Frage beschäftigt: Sind Frauen auch Menschen?“.
„Ja“, erwiderte unser Held und sagte: „Ich habe in alle Richtungen gedacht, kreuz und quer, hin und her, hoch und runter. Eine ganze Menge Gedanken sind mir gekommen und dennoch weiß ich nicht genau, was Sie damit ausdrücken wollen? Frauen sind auch Menschen!“.
„Nun“, sagte der erfahrene Ehemann und lehnte sich dabei zurück. „Ganz einfach, Frauen sind Menschen, genau wie Männer. Frauen haben genauso Bedürfnisse wie Männer, sie haben Wünsche wie auch Männer, und sie haben Sehnsüchte. Auch Frauen besitzen ein Selbstbewusstsein, ein Selbstvertrauen, eine eigene Moral und eine eigene Ethik. Das alles sind Dinge, die Männer sehr leicht vergessen und Frauen in eine bestimmte Rolle hineinpressen und sie dann dort in dieser Rolle belassen, obwohl die Frau sich dieser Rolle nicht bewusst ist und möglicherweise diese Rolle auch nicht dem entspricht, was die Frau in ihrem Leben erreichen will“.
„Sie meinen also, dass man der Frau gegenüber vorurteilslos sein sollte?“, versuchte unser Held das, was unser erfahrener Ehemann gesagt hat, zusammenzufassen.
„Ja und nein“, war die Antwort. „Es ist immer gut, wenn man vorurteilslos an eine Sache herangeht, aber hier geht es nicht um Vorurteile, sondern hier geht es darum, dass Sie Ihre Frau genauso akzeptieren, dass sie als eine Persönlichkeit eben ab und zu einmal etwas anderes machen will, als Sie selbst und dass sie möglicherweise ganz andere Pläne in ihrer eigenen Entwicklung hat“.
„Ja, aber eine Frau gehört an den Herd!“, rutschte es unserem Helden heraus und kleinlaut setzte er hinzu „zumindest ist es das, was meine Eltern mich gelehrt haben!“
Er kam sich nicht besonders intelligent vor, als der erfahrene Ehemann seine Aussage mit einem schallenden Gelächter quittierte. „Genau das ist der Punkt, mein junger Freund“, sagte der erfahrene Ehemann. Der Barkeeper hatte ihn seinen „Meister“ genannt.
„Das, was man Sie gelehrt hat, ist nicht unbedingt das, was in der heutigen Zeit noch adäquat wäre. In unserer heutigen Zeit, in der so viele Möglichkeiten bestehen, eine Familie zu organisieren – sei es, dass diese Familie aus Mann und Frau besteht, aus zwei Männern oder aus zwei Frauen, wahlweise mit oder ohne Kinder – gibt es auch viel mehr Möglichkeiten, für die Frau einen individuellen Weg zu gehen, und ihren Werdegang zum großen Teil alleine zu bestimmen. Das ist etwas, was Sie verstehen und auch akzeptieren müssen.“
„Also gut, nehmen wir an, ich verstehe und akzeptiere dies. Dennoch ist es nicht in Ordnung, wenn meine Frau nicht für meine Geschäftspartner kocht, wenn es notwendig ist, dass ich vielleicht den einen oder anderen Geschäftspartner zu mir nach Hause einlade“.
„Haben Sie Ihre Frau jemals darum gebeten, dies einmal zu tun?“, fragte der erfahrene Ehemann.
„Ja, natürlich“, hat unser Held geantwortet und hinzugefügt, dass er es schon oft gemacht hat, jeweils mit negativem Ergebnis. Die nächste Frage, die ihm gestellt wurde, traf unseren jungen Freund dann allerdings mitten in sein Gefühlszentrum.
Er fühlte sich mit einem Mal wie von einer riesengroßen Faust getroffen, denn der erfahrene Ehemann hatte ihn gefragt: „Haben Sie Ihre Frau darum gebeten, oder haben Sie es mehr oder weniger angeordnet oder befohlen?“.
Eine Serie von Erinnerungen lief wie in einem schlechten Film vor unserem Helden ab. Wenn er sich recht entsann, hatte er es mehr befohlen, denn schließlich gehörte es ja dazu. Warum anders hatte er seine Frau geheiratet? Nicht zuletzt deshalb, damit sie ihn bei solch sozialen Gegebenheiten als seine Frau repräsentierte. Und es gehört nun mal zu den Aufgaben einer Frau, für die Geschäftspartner zu kochen.
Vielleicht hatte er sich im Ton vergriffen, vielleicht hatte er zu fordernd oder zu befehlend das Ganze verlangt. Dennoch gehörte es seiner Meinung nach zu einer guten Ehefrau, dass sie eben bei solchen Anlässen die Gastgeberin spielte.
Mit ernster Stimme hatte ihn der erfahrene Ehemann daraufhin gefragt, ob er sich jemals darüber Gedanken gemacht hat, dass er vielleicht eine Frau fürs Leben geheiratet habe und keine Köchin. Außerdem sei eine Köchin, sofern man die Ehefrau als eine solche ansah, möglicherweise als Angestellte besser eingestuft, als eine Frau, mit der man auch das restliche Leben teilen wollte.
„Ja, aber wofür ist dann eine Ehe da?“, protestierte unser Freund. Er war inzwischen verwirrt, denn offensichtlich sollte es so sein, dass alles das was er gelernt hatte und wie es ihm seine Eltern vorgelebt haben, nicht mehr gültig war. Was war also der Sinn der Ehe? Der Meister beantwortete diese Frage wortlos. Er reichte dem inzwischen hilflos dreinschauenden Mann wieder einen Zettel und dieser las:
„Der Sinn der Ehe ist es, dass zwei Individuen einen Teil ihres Weges gemeinsam gehen und bereit sind, in gegenseitiger Rücksichtnahme, den anderen zu respektieren, ohne dabei die eigene Persönlichkeit aufzugeben“.
Was wusste er von seiner Partnerin wirklich?
Sie hatten noch einige Zeit weiter diskutiert am gestrigen Abend und der erfahrene Ehemann hatte ihm empfohlen, seine Frau einfach einmal danach zu fragen, was sie möchte, und zwar vorurteilsfrei. Unser Held hatte sich lange mit diesem Thema auseinandergesetzt und war bereit, einen entsprechenden Versuch zu starten. Zunächst hatte er sich versichern lassen, dass er mit dem Meister der Beziehungen auf jeden Fall wieder zusammentreffen konnte, falls irgendetwas schiefging.
Er freute sich auf ein Wiedersehen mit dem erfahrenen Ehemann, denn dieser hatte auch geäußert, dass es noch ein paar weitere Merkblätter gebe, die die Qualität einer Ehe oder Partnerschaft ganz wesentlich beeinflussen konnten.
Heute Abend wollte er es nun versuchen und mit seiner Frau reden und dabei herausfinden, was sie wirklich wollte. Natürlich hatte unser junger Held das schon oft hinterfragt, nur eben niemals mit einer entsprechenden Tiefe, wie er es von dem Meister gelernt hatte.
Oft genug ging es nur um triviale Dinge, zum Beispiel was sie essen wollte, oder in welchen Kinofilm sie mit ihm gehen wollte. Er war dabei oft bestimmend gewesen und hatte ihr eigentlich nur die Wahl zwischen zwei oder drei verschiedenen „Übeln“ gelassen. Er hatte sie gefragt, was sie für seine Geschäftsfreunde kochen wollte, nicht, ob sie überhaupt für diese kochen wollte.
Im Grunde genommen, wusste er gar nicht, was seine Frau aus ihrem Leben eigentlich machen möchte. Er wusste zwar, was ihr Spaß macht. Glaubte er.
Er wusste, dass sie lila Orchideen liebt und er wusste, dass sie gerne sozial-kritische Filme anschaute. Aber je länger er darüber nachdachte, kam er zu dem Entschluss, dass er nicht wusste, was sie sich eigentlich in ihrem Leben wünschte.
Er erinnerte sich dunkel, dass sie einmal geäußert hatte, sie würde gerne studieren. Das musste wohl vor ungefähr 6 Jahren gewesen sein. Diese Idee war inzwischen zur Makulatur geworden, denn er hatte nie mehr davon gehört und auch keine Erinnerung daran, dass seine Frau in dieser Richtung aktiv war.
Er hatte ihr natürlich damals abgeraten. Wozu sollte sie studieren? Für ihn war es viel wichtiger, dass seine Frau für ihn zu Hause war und das Haus in Ordnung hielt. Nun gut, sie hatten noch keine Kinder, aber es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ein gemeinsames Kind wollten – wenn die Ehe so lange halten würde.
Je länger er darüber nachdachte, desto unangenehmer fühlte es sich an. Zum Schluss wurde dieses Gefühl sogar so stark, dass er glaubte, dass ihm richtig gehend schlecht wurde. Er musste an die frische Luft und mehrfach tief durchatmen. Der Meister der Beziehungen hatte vollkommen recht. Er wusste von seiner Frau eigentlich nichts.
Er schwelgte in voreingenommenen Ideen, wie seine Frau und wie seine Ehe zu funktionieren habe. Er hatte seine Frau tatsächlich nicht als Mensch betrachtet, sondern mehr als Funktionseinheit in seiner Ehe. Er war derjenige, der oft genug, wenn nicht fast immer, der bestimmende und ausschlaggebende Partner in seiner Beziehung war.
Vielleicht war es kein Wunder, dass seine Frau manchmal krätzig zu ihm war und dass sie oft unzufrieden schien und wahrscheinlich auch unzufrieden war.
Natürlich verdiente er gutes Geld. Nur wie konnte sich seine Frau verwirklichen, wenn sie ihren inneren Wünschen, die er noch nicht einmal kannte, nicht nachgehen konnte. Sie kompensierte dies wahrscheinlich mit sinnlosen Konsum von Klamotten, Schuhen und Handtaschen.
Wie viele Paar Schuhe hatte Sie? Wahrscheinlich mehr als 50. Auch die Schränke waren voll mit den neuesten Blusen, Kleidern und Hosen, die der Modemarkt hergab. Unser Held hatte fast den Verdacht, dass seine Frau vielleicht gar nicht so mode- und kaufsüchtig war, wie er immer annahm.
Vielleicht war es ihre innere Art des Protestes? Auf jeden Fall wollte es dies jetzt ändern und seine Frau als eigenes Individuum sehen, als eigene Persönlichkeit, die sich weiterentwickeln will. Er war fest entschlossen, herauszufinden, in welche Richtung diese Entwicklung stattfinden soll. Schon am selben Abend hatte er ein langes, ausführliches Gespräch mit der Frau, die er liebte.
Warum habe ich überhaupt geheiratet?
„Schön, dass Sie Zeit hatten, mit mir dieses Mittagessen einzunehmen“, freute sich unser junger Held, als er dem Meister der Beziehungen wieder gegenüber saß. Scherzhaft fügte er hinzu: „Ich weiß, warum der Barkeeper Jürgen Sie seinen Meister nennt. Sie haben tatsächlich die Fähigkeit, eine Beziehung so zurechtzurücken, dass man das alles mal von einem ganz anderen Standpunkt aus betrachtet.“
„Ich denke, dass ich richtig schlussfolgere, wenn ich annehme, dass Sie mit Ihrer Frau über deren Individualität und ihre Wünsche gesprochen haben“, sagte der erfahrene Ehemann erfreut.
„Ja“, antwortete unser Held. „Zuerst war es etwas seltsam, weil meine Frau mich in irgendeiner Weise verdächtigte, ich wolle sie ‘über den Tisch ziehen’, so wie sich ausdrückte. Ich habe ihr dann erklärt, dass ich mit Ihnen gesprochen habe und dass mir ihre zwei Merksätze doch sehr zu denken gegeben haben und konnte sie letztendlich davon überzeugen, dass ich ernsthaft interessiert bin, an dem, was sie gerne machen würde“.
„Und?“, fragte der ‘Meister’ mit nicht verhohlener Neugierde.
„Sie möchte studieren. Ein Traum von ihr, den sie für Jahre brach liegen ließ, da sie den Eindruck hatte, dass ich dies nicht mochte. Daß ich die Notwendigkeit eines Studiums ihrerseits nicht einsah.“
„Und“, so setzte der junge Mann seine Beichte fort, „auch irgendwo ihr vielleicht dieses Studium nicht gönnen wollte. Schließlich hatte ich auch nicht die Gelegenheit zu studieren“.
„Und hat sich ihre Einstellung zu der ganzen Sache geändert?“, fragte der erfahrene Ehemann provozierend, bevor er sich genüsslich den inzwischen aufgetischten Leckereien dieses Restaurants zuwandte.
„Ja, inzwischen freue ich mich sehr, dass meine liebe Frau etwas für ihre eigene Entwicklung und ihre eigene Persönlichkeit machen kann. Ich werde sie dabei unterstützen, dass sie möglichst bald anfängt zu studieren und dann möglichst in der Regelstudienzeit fertig wird und ihren akademischen Grad besitzt. Ich denke, dass das auch für meine geschäftlichen Beziehungen ganz sicher von Vorteil ist“, sprüht unser junger Held voller Enthusiasmus.
„Einen kleinen Moment bitte“, bremste der Meister der Beziehungen unseren Freund. „Sie begehen schon wieder einen Fehler. Denken Sie daran, dass auch Ihre Frau ein Mensch ist und sich individuell entwickeln möchte. Sie möchte sich so entwickeln, wie sie will und nicht so, wie Sie sie haben wollen. In anderen Worten, sie möchte studieren, damit sie persönlich aus diesem Studium einen Erfolg ableiten kann.“
„Sei es, indem sie mehr Wissen über ein bestimmtes Fachgebiet erwirbt, oder indem sie einen akademischen Titel danach führen darf. Auf keinen Fall jedoch wird sie es machen, dass Sie bei Ihren Geschäftspartnern damit imponieren können“.
Mutlos ließ unser junger Held seine Gabel niedersinken und sank in sich zusammen. „Sie haben recht“, sagte er, „mein Temperament und meine Grundeinstellung sind schon wieder mit mir durchgegangen. Vielleicht ist es das, warum wir immer wieder Konflikte mit ihr bewältigen muss“, sagte er mit leiser bedrückter Stimme.
Kurze Zeit später jedoch wuchs sein Stimmvolumen an und er erklärte dem erfahrenen Ehemann in fester und bestimmender Weise, „aber immerhin tue ich ja fast alles, was ich mache, für meine Frau und für unsere Ehe. Und warum soll sie nicht etwas für mich tun?“
„Hmm…“, brummte daraufhin der erfahrene Ehemann in der ihm eigenen und bestimmenden Art und Weise, „das ist vielleicht der zweite Fehler, den Sie in Ihrer Ehe bisher begangen haben“.
Der zweite Fehler
„Was genau meinen Sie mit dem zweiten Fehler?“. „Nun, dass Sie eben alles was Sie tun, auf Ihre Frau abstimmen.
Wenn Sie das tun“, so fuhr der Meister fort, „vergessen Sie, dass auch Sie ein Mensch sind. Ein Mensch mit Bedürfnissen, mit individuellen Wünschen und Sehnsüchten. Wenn Sie immer auf Ihre Frau Rücksicht nehmen, werden Sie nie das tun können, wozu Sie Lust haben. Zumindest nicht, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben“.
„Ja, aber sonst verhalte ich mich doch sehr egoistisch“, erklärte unser Held.
„In der Tat, Sie haben vollkommen recht“, erhielt er zur Antwort. „Und egoistisch zu sein, ist manchmal notwendig und kann eine Partnerschaft nur verbessern“.
„Moment mal“, antwortete unser Held mit stärker werdendem Widerstand. „Ich habe doch nicht geheiratet, um mein eigenes Leben weiter fortzusetzen!“
„Das ist sehr schlimm, wenn Sie es unter diesem Aspekt sehen“, erhielt er erneut Kontra. „Wenn Sie nicht Ihr eigenes Leben leben, wessen Leben leben Sie denn dann?“.
Für einige Minuten ruhte das Gespräch zwischen den beiden. Zeit genug für den Kellner, das Geschirr abzuräumen. Unser junger Held wurde aus seinen Gedanken durch die freundliche Aufforderung des Anderen aufgeschreckt, sich für ein Dessert zu entscheiden.
Da merkte unser Freund, dass er wohl völlig geistesabwesend seinen Gedanken nachgehangen und tatsächlich überlegt hatte, wessen Leben er lebte. Es war tatsächlich so, dass er oft auf Dinge verzichtet hatte, weil er dachte, seine Frau würde es nicht mögen, oder weil er dachte, seine Frau bräuchte ihn in einer ganz bestimmten Situation. Das Ende vom Lied war dann jeweils wieder ein neuer Streit. Nicht immer, aber immer öfter.
Nachdem er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, musste er an diesen dummen alten Werbespruch denken „Nicht immer, aber immer öfter“. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
Der Meister der Beziehungen nahm dies wahr und freute sich, dass unser Held offensichtlich wieder besserer Dinge war.
Sie machten sich über das Dessert her und schienen es beide zu genießen. „Sie meinen also“, meinte unser junger Freund, während er sein Dessert auf mampfte, „ich soll einfach egoistisch sein, und meine Frau Frau sein lassen und das tun wozu ich Lust habe?“.
„Genau das meine ich, allerdings muss dieses im Rahmen der Regeln passieren“. „Regeln? Was für Regeln?“
Das Dessert schmeckte unheimlich gut und unser junger Freund überlegte sich inzwischen, nicht zuletzt angeregt von den neuen Erkenntnissen, die er wieder gewonnen hatte, ob er nicht vielleicht ein zweites Dessert bestellen sollte.
„Die Regeln sind eigentlich ganz einfach. Man sollte nie vergessen, dass man sich in einer Partnerschaft befindet, und die in einer Partnerschaft vorherrschende Moral und Ethik nie verletzten. Da gehört, zumindest für meine Partnerschaft, auf jeden Fall dazu, dass ich immer ehrlich und aufrichtig zu meiner Partnerin bin und dass ich mich zum Beispiel nicht mit anderen Frauen befasse. Erst recht nicht, irgendetwas mit diesen Frauen anfange.“
„Das ist allerdings frei definierbar“, fügte der erfahrene Ehemann hinzu. „Wenn eine Beziehung es zulässt und beide Partner mit weiteren Beziehungen innerhalb der Partnerschaft einverstanden sind, kann auch das völlig in Ordnung sein.“
„Gut“, fragte unser junger Held, „aber was soll der ganze Egoismus bewirken? Angenommen ich halte mich an die Regeln, an die Ethik und Moral unserer Beziehung und bin immer wieder mal egoistisch?“.
Daraufhin lehnte sich der erfahrene Ehemann genüsslich zurück, griff in seine rechte Sakkotasche und zog ein Merkblatt heraus. Es war unvermeidlich, dass unser junger Freund ein neues Merkblatt erhalten sollte. Es schien dem erfahrenen Ehemann Spaß zu machen, Merkblätter zu verteilen. Auch freute er sich, dass unser junger Freund ihm offensichtlich die richtige Frage gestellt hatte.
Kaum dass er das Merkblatt in den Händen hielt, sagte er: „Sie wissen, dass die Merkblätter die Geheimnisse einer positiven und glücklichen Partnerschaft beinhalten. Ich bin sehr stolz auf diese Merkblätter, weil ich denke, es ist mir gelungen, jeweils die Geheimnisse in einem prägnanten Satz zusammenzufassen. Deshalb lesen Sie bitte dieses.“
Gespannt wie ein Flitzebogen – ein Ausdruck, den er aus seiner frühesten Jugend heute noch gerne benutzte – nahm unser Freund das Merkblatt und las:
„Nur wenn es mir gut geht, indem ich mich um mich gekümmert habe, habe ich die Kraft und die Stärke, immer dann für meinen Partner da zu sein, wenn dieser mich braucht“.
Seine „neue“ Partnerschaft.
Es war Sommer und damit abends länger hell. Begünstigt durch das Licht und durch die angenehme Temperatur hatte unser junger Freund die Gelegenheit genutzt und war mit seinen Rollschuhen direkt nach der Arbeit in den Ostpark gefahren, um dort auf den langen geteerten Wegen seiner neuen Leidenschaft zu frönen: „Rollerblading“. Auch das hatte sich geändert. Früher waren diese Schuhe mit Rollen als Rollschuhe bekannt.
Dann kam so ein Spezialist in USA auf die Idee, die Rollen hintereinander statt nebeneinander anzuordnen, so eine Art Schlittschuh für die Straße und heutzutage hießen die Dinger eben Rollerblades.
Natürlich hatte er mittags kurz seine Frau angerufen und gefragt, ob sie mitkommen wollte. Sie hatte keine Lust und er war dennoch fest entschlossen den Abend zu genießen auf dieser geilen Art der Rollschuhe.
Früher hätte er es wohl anders gemacht. Ja, früher wäre er sicher nach Hause gefahren, weil seine Frau keine Lust gehabt hatte, mit ihm zum Bladen zu gehen. Oft genug hatte er selbst darauf verzichtet, irgendetwas zu unternehmen, nur weil seine Frau keine Lust hatte, es mit ihm zusammen zu machen. Oft genug endeten diese Abende dann in einem Unglück.
Vielleicht war „Unglück“ das falsche Wort, aber immerhin gab es fast immer Streit und Zank bei solchen Gelegenheiten.
Heute wusste er, dass er den Streit mit provoziert hatte, denn schließlich hatte er auf das verzichtet, wozu er Lust hatte.
Am Anfang seiner Ehe war das recht einfach, doch irgendwann hatte er seine Art zu leben so auf seine Frau abgestimmt, dass er kein eigenes Leben mehr lebte. Dies hatte ihm der Meister der Beziehungen in der letzten Woche noch erläutert und inzwischen konnte unser junger Freund dem „Meister“ nur recht geben.
Während er sich, inzwischen schwer keuchend, den nächsten Hügel im Ostpark hinauf kämpfte, erinnerte er sich an eine ganz spezielle Situation, die genau aus diesem Grunde fast schon zur Trennung geführt hatte.
Angefangen hatte das ganz normal an einem Samstagvormittag, als er gegen 11:00 Uhr aus seinem Fitnessstudio zurückkam und große Pläne für den Tag hatte. Er wollte eine Fahrradtour durch den Wald zu einem neuen Ausflugslokal machen und hatte dies auch schon mit seiner Frau besprochen. Sie hatte sich schon darauf gefreut, so zumindest kam es ihm vor. Deshalb war er auch enthusiastisch und hatte sogar die Fahrräder schon vor die Tür gebracht.
Es war ihm so vorgekommen? Er merkte, dass er sich gar nicht mehr so sicher war und überlegte sich, warum er sich nicht sicher war. Irgendetwas stimmte nicht mit seinen Annahmen. Er beschloss, bei der nächsten Gelegenheit den Meister der Beziehungen zu befragen.
Aber zurück zu diesem denkwürdigen Vorfall. Als er an diesem Tag in die Wohnung kam, fand er seine Frau noch im Bett und machte sich frohen Mutes daran, sie aufzuwecken. Natürlich hatte er es auf seine übliche liebe Art getan. Vergebens. Sie wurde zwar wach, sagte ihm aber, sie sei noch nicht ausgeschlafen und wollte gerne noch ein paar Stunden liegen bleiben. Nun, er konnte es verstehen, denn schließlich waren sie am vergangenen Abend aus gewesen und erst gegen 1.30 Uhr in der Nacht zu Bett gegangen.
Was er nicht verstehen konnte, war jedoch, dass sie um 11.00 Uhr behauptete immer noch müde zu sein und an diesem strahlenden Tag nicht, wie versprochen, mit ihm den Fahrradausflug unternehmen wollte.
Mit seinem heutigen Wissen hatte er nämlich dann den Fehler begangen und die Fahrräder weggepackt und hatte zu Hause herumgehangen. Natürlich waren sie an diesem Tage nicht mehr mit dem Fahrrad unterwegs und während seine Frau ausschlief, wurde seine Laune immer schlechter und schlechter.
Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Am selben Abend und am nächsten Tag hatten sie sich aufgrund seiner miesen Stimmung so exzessiv herumgestritten, dass sie zu ihrer Mutter fuhr und er sich am Sonntagabend im Büro wiederfand.
Heute könnte ihm dieses alles nicht mehr passieren, denn heute war er egoistisch. Heute hätte er sich sein Fahrrad geschnappt und wäre losgefahren – genau wie er jetzt im Ostpark mit seinen Rollschuhen unterwegs war.
Er saß inzwischen auf einer Bank und ruhte sich aus. Die letzten vier Kilometer, vielleicht waren es sogar fünf oder sechs Kilometer, waren doch anstrengender gewesen, als er dachte. Er hatte nicht direkt mitbekommen, dass er herumgefahren war, denn seine Gedanken hingen seiner neuen „Ehe“ nach.
Es ging ihm ganz deutlich besser, seit er gelernt hatte, egoistisch zu sein. Wo er sich jedoch nicht ganz darüber im Klaren war, war der Umstand, ob es seiner Frau auch wesentlich besser ging.
Irgendwie wusste sie offensichtlich nicht ganz konkret damit umzugehen, dass er nun so egoistisch war. Und wenn er es sich genau überlegte, hatte sie auch allen Grund dazu, denn seit ein paar Tagen machte er quasi nur noch, wozu er Lust hatte. Er ging mit Kollegen aus, ging ins Sportstudio, machte Fahrradtouren, saß auch einmal zu Hause und las ein Buch ohne sich dabei stören zu lassen und heute hatte er sich vorgenommen, im Ostpark mit den Rollerblades herumzujetten.
Natürlich hatte er sie jeweils eingeladen, aber die Standardantwort von ihr in den letzten Tagen war immer: „Ich habe keine Lust“. Okay, das war ihm egal, denn wie hatte der Meister der Ehe gesagt? „Erst wenn es dir gutgeht und du die Stärke hast, die du brauchst, kannst du dich um andere kümmern“.
Dennoch erschien es unserem Helden, dass irgendetwas an diesem Konzept noch nicht ganz schlüssig war, denn je länger er darüber nachdachte, desto eher kam er zu dem Schluss, dass seine Frau keinen besonders glücklichen Eindruck machte. Früher hatte sie nicht so oft geäußert, keine Lust zu haben und früher war er auch viel öfter bei ihr.
Während er sich von der Bank erhob und wieder auf den asphaltierten Weg zurückkehrte, fiel ihm ein, dass der Meister der Beziehungen von weiteren Geheimnissen einer glücklichen Ehe gesprochen hatte. Soweit er sich erinnerte, hatte er bisher allerdings nur drei bekommen. Vielleicht war das vierte Geheimnis der Schlüssel. Und als er dann mit seinen Rollerblades den leichten Abhang hinuntersauste, nahm er sich vor, den Meister der Beziehungen gleich morgen früh anzurufen und sich mit ihm zu treffen, um weitere Geheimnisse zu erkunden. Irgendetwas mit diesem Egoismus war nämlich noch nicht ganz so, wie es sein sollte.
Er ist ein rücksichtsvoller Egoist
Er war eine halbe Stunde zu früh in das Büro des Meisters der Beziehungen gekommen, da wider Erwarten der Autobahnzubringer zum Bürodistrikt nicht verstopft war. Jetzt saß er im Vorzimmer bei der Sekretärin des erfahrenen Ehemannes und freute sich darauf, dass er schon bald das nächste Geheimnis zur perfekten Partnerschaft erfahren sollte.
Während er dort saß und wartete, beobachtete er die Sekretärin, die bienenfleißig Telefonate entgegennahm, E-Mails schrieb und Fragen anderer Kollegen und Kolleginnen beantwortete, die immer wieder hereinschauten und irgendetwas Spezielles von ihr wissen wollten. Sie schien die Schaltzentrale in dieser Firma zu sein und er wunderte sich, wie lange sie schon mit dem Meister der Beziehungen zusammenarbeitete.
Um dies und anderes herauszufinden, sprach er sie einfach direkt an: „Entschuldigen Sie bitte, Sie scheinen ja hier alles im Überblick zu haben und mich würde interessieren, wie lange Sie schon hier arbeiten?“
„Schon recht lange“, sagte sie, „es werden im August 13 Jahre“.
„Und wie lange arbeiten Sie schon für ihren jetzigen Chef?“, fragte der junge Mann.
„Es sind eben diese 13 Jahre“, antwortete die Sekretärin.
„Dann kennen Sie ihn ja recht gut?“, fragte unser junger Held.
„Ja“, sagte die Sekretärin. „Er ist einer der besten Chefs, die ich je hatte. Ein lieber, netter und sehr zuvorkommender Mensch.“
„Ich habe gehört, dass er sehr egoistisch sei?“, fragte der junge Mann provokativ um herauszufinden, was an diesem ganzen Thema Egoismus dran ist.
„Ja und nein“ lachte die Sekretärin, weil sie offensichtlich gemerkt hatte, auf was der junge Mann hinaus wollte.
„Das ist aber ein hartes Vorurteil gegen meinen Chef“, setzte sie hinzu und wieder, wie schon häufiger, seit er sich mit dem erfahrenen Ehemann getroffen hatte und mit dessen Strategie in Berührung kam, fühlte sich unser junger Held mit einem Mal unwohl und dachte sich: „Fettnäpfchen, wo bist du?“ – scheinbar bin ich schon wieder in eins hinein getreten.
Aus diesem Grund beeilte er sich auch, der Sekretärin zu versichern: „Ich habe es nicht so gemeint, aber er hat mir seine Strategie erläutert, die zu einer perfekten Partnerschaft führen soll und da kommt Egoismus mit vor“.
Immer noch lächelnd sagte die Sekretärin „Ja, Sie haben vollkommen recht, er ist ein Egoist, aber dann doch wieder keiner!“. Völlig verwirrt fragte der junge Mann nun „Was meinen Sie damit? Er ist ein Egoist und dann doch wieder keiner?“.
„Am besten“, antwortet die Sekretärin, „lassen Sie es mich in einem Satz beschreiben. Er ist ein rücksichtsvoller Egoist!“ Das alles erzeugte in unserem jungen Freund noch mehr Verwirrung als vorher. Er sagte zur Sekretärin: „Das ist mir alles zu kompliziert und ich hoffe, dass ihr Chef mir das noch erklären kann.“
Während er dies sprach, ging eine Tür auf und der Meister der Beziehungen kam herein. Er war wie immer froh gelaunt und erfreute sich offensichtlich einer strahlenden Gesundheit. Mit dynamischen Bewegungen kam er auf unseren jungen Helden zu, schüttelte seine Hand und sagte:
„Natürlich kann ich Ihnen das erklären. Ich freue mich, dass Sie schon da sind und hoffe, dass wir Ihre Verwirrung bald auflösen können. Kommen Sie doch mit.“
Er führte unseren jungen Helden in sein Büro – ein ganz besonderes Büro, nämlich das Chefbüro, das eine ganz besondere Atmosphäre ausstrahlte. Besonders bemerkenswert war ein Musikinstrument in einer Ecke des Raumes, welches man nie und nimmer in einem Büro vermutet hätte. Aus dieser Überraschung heraus stand unser junger Freund in der Mitte des Raumes und starrte fasziniert und gebannt mit leichtem Kopfschütteln auf das in der Ecke befindliche Schlagzeug.
Der Meister der Beziehungen sah die immer größer werdende Verwirrung unseres Helden und begann mit einem Mal herzlich zu lachen. „Sie scheinen sich nicht mehr sicher zu sein, ob Sie es mit einem glücklichen und erfolgreichen Ehemann zu tun haben, oder mit einem Verrückten“, stellte er fest.
Unser junger Freund stammelte daraufhin: „Nun ja, äh, hm, wie soll ich das sagen. Also ich meine, Ihre Sekretärin sagte mir, Sie seien ein Egoist und dann doch keiner und ich glaube, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben in einem Büro ein Schlagzeug sehe. Natürlich frage ich mich jetzt, ob Sie auf diesem Schlagzeug spielen, während der Arbeitszeit und vielleicht Ihre Sekretärin sich dieses doch laute Instrument dann anhören muss. Ich muss zugeben, dass ich zunehmend verwirrt bin.“
Der erfahrene Ehemann musste sich vor Lachen setzen. Nur mit Mühe gelang es ihm, während er herzhaft weiter lachte, zu sagen: „Nun, junger Mann, das ist allerdings eine Schlussfolgerung, die ich heute auch zum ersten Mal gehört habe und die mich, wie Sie sehen, sehr belustigt.“
„Aber nehmen Sie doch Platz, ich versuche Ihnen dies alles zu erklären.“
Unser Held setzte sich dem erfahrenen Ehemann gegenüber und dieser begann, sich von seinem Lachanfall zu erholen.
„Bitte entschuldigen Sie, dass ich so lachen musste, aber zum einen war Ihre Schlussfolgerung so lustig für mich und zum anderen hatte ich den Eindruck, dass Sie vielleicht glaubten, einen Außerirdischen vor sich zu sehen. Ich glaube, das mit dem Egoismus haben Sie etwas zu ernst genommen. Aber erzählen Sie mir doch einfach einmal, wie es in Ihrer Ehe jetzt aussieht, nachdem Sie sich egoistischer verhalten haben“.
„Also“, sprudelte unser junger Held hervor, „mir geht es natürlich viel besser. Worüber ich mir nicht im Klaren bin, ist, wie es meiner Frau geht“.
„Warum geht es Ihnen besser?“, fragte der erfahrene Ehemann, während er sich genüsslich in seinem Ledersessel zurücklehnte.
„Ich mache fast nur noch Sachen, die mir Spaß machen“, erwiderte der junge Mann, „und lasse mich dabei von meiner Frau in keiner Weise beeinflussen. Ich mache das, was Sie mir geraten haben. Ich lebe mein eigenes Leben“.
Mit einem Mal wurde der erfahrene Ehemann ganz ernst, beugte sich nach vorne und fragte unseren Helden:
„Glauben Sie, dass Ihre Ehe dafür da ist, dass Sie Ihr Leben leben und sich ansonsten um den Rest Ihrer Ehe nicht mehr kümmern brauchen“?
Und schon war wieder dieses unangenehme Gefühl im Anmarsch. Schon wieder diese Verwirrung bei unserem Helden, der inzwischen schon ganz nervös auf seinem Stuhl hin und her rutschte und fieberhaft nach einer Antwort suchte. Erst wollte er die Frage des Meisters der Beziehungen mit einem einfachen und glatten
„Nein“ beantworten, unterließ es allerdings, da er dachte, dass ein „Nein“ vielleicht nicht ausreichend genug wäre. Also sagte er: „Ich weiß es nicht“!
„Gut, ich will Ihnen die Antwort verraten“, sagte der erfahrene Ehemann. Die Antwort ist ein einfaches und gerades „Nein“.
„Ihre Ehe ist nicht dazu da, dass Sie Ihr eigenes Leben so weiterleben, wie Sie es wollen“.
Jetzt wurde es unserem jungen Freund zu viel und er protestierte schon fast aggressiv: „Aber Sie haben mir doch gesagt, ich soll egoistisch sein. Sie haben mir doch gesagt, ich soll mein eigenes Leben leben. Sie haben mir doch gesagt, ich soll mich nur um mich selbst kümmern und meine Frau völlig in Ruhe lassen“!
„Ja und nein“, sagte der erfahrene Ehemann mit besänftigender Stimme. „Sie sollen sich um sich kümmern und aber die Kraft und die Stärke sammeln, die Sie brauchen um dann für Ihre Partnerin da zu sein“.
„Was genau bedeutet das?“, wollte unser junger Held jetzt wissen, schon wesentlich relaxter und viel interessierter, als zuvor, bei seinem aggressiven Protest.
„Lassen Sie mich zuvor eine Frage stellen“, begann der erfahrene Ehemann. „Nachdem Sie jetzt einige Tage Egoismus geübt haben und vorhin bereits geäußert hatten, dass es Ihnen besser geht, glauben Sie, dass Sie die Kraft und die Stärke haben, sich um Ihre Frau zu kümmern“?
Ein spontanes und kraftvolles „Ja“ war die Antwort unseres jungen Helden.
„Sehen Sie“, sagte der Meister der Partnerschaft, „das ist genau das, was ich meine. Wenn Sie wieder aufgetankt haben, wenn Sie wieder die Kraft und die Stärke haben, um sich um Ihre Beziehung zu kümmern, dann sollten Sie auch wieder in Ihrer Beziehung leben, denn Sie brauchen keine Ehe, wenn Sie alleine leben wollen. Sie brauchen jedoch ab und zu einmal ein bisschen Zeit für sich selbst, um dann, mit wieder gewonnener Kraft und Energie, für Ihre Partnerin da zu sein.“
„Sie meinen also, dass dieses egoistische Verhalten nur dazu da ist, um wieder aufzutanken?“, erwiderte unser junger Held mit einem Gesichtsausdruck, den man volkstümlich mit „Bei dem ist der Groschen gefallen“ beschreiben könnte.
„Ganz genau“, war die Antwort.
„Sehen Sie, solange Sie Ihr ganzes Leben nach Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin ausrichten, kommt Ihre eigene Individualität zu kurz und Sie finden sich irgendwo und irgendwann in einem Zustand, wie der, den man bei einem Manager als „Burn-out-Syndrom“ bezeichnet.“
„Das heißt, Sie verfügen nicht mehr über die Kraft und Energie, für jemand anderes da zu sein, weil Sie noch nicht einmal genügend Kraft und Energie haben, für sich selbst da zu sein. Wenn Sie jedoch immer wieder zwischendurch für sich selbst da sind“, fuhr der Meister der Beziehungen fort, „kommt es nicht zu diesem „Burn-out-Syndrom“.
„Dadurch, dass Sie sich immer wieder Zeit nehmen für Ihr eigenes Leben, tanken Sie quasi immer wieder auf. Sie müssen das dann auch nicht so exzessiv betreiben, wie Sie es vielleicht jetzt die letzten Tage gemacht haben und Ihre Frau vollständig vernachlässigen, denn ein häufigerer und dafür auch viel kürzerer Anfall (von Egoismus) wird dafür sorgen, dass Sie stark, kraftvoll und glücklich sind und dann diese Kraft und Stärke auf Ihren Partner übertragen können“.
Es war einige Sekunden still im Raum, denn unser Held verfiel in angestrengtes Nachdenken. Er saß ein bisschen in sich zusammengesunken da und einige Erlebnisse aus der Vergangenheit schienen Revue zu passieren. Der Meister der Beziehungen störte ihn nicht bei dieser Meditation und wartet, bis unser Freund wieder ansprechbar war.
„Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen“, sagte unser Held und erzählte ihm die Geschichte von diesem missglückten Fahrradausflug von vor ein paar Wochen, der beinahe zur Trennung geführt hätte.
Als er mit seiner Schilderung zu Ende war, freute sich der erfahrene Ehemann und sagte: „Sehen Sie, hier ist ein ganz typisches Beispiel. Hätten Sie sich damals Ihr eigenes Fahrrad geschnappt und wären Sie zu diesem Ausflugslokal gefahren, am späten Nachmittag zurückgekehrt und froh und zufrieden gewesen, was wäre dann passiert?“
„Ich hätte eine ausgeruhte, ausgeschlafene und zufriedene Frau vorgefunden und wir hätten ganz sicher den Rest des Wochenendes gemeinsam verbracht, ohne uns zu streiten.“
„Ganz im Gegenteil“, fuhr der junge Mann nach kurzem Nachdenken fort, „wir hätten ganz sicher ein schönes Wochenende gehabt. Da zum einen die individuellen Bedürfnisse eines jeden berücksichtigt waren und zum anderen, wir trotzdem gemeinsam eine Ehe geführt hätten in dem Rest der Zeit“.
„Genauso ist es“, freute sich der erfahrene Ehemann und fügte hinzu: „Sie sind auf dem richtigen Weg. Genauso soll es sein und dann funktioniert es auch perfekt“.
Während er diese Worte sprach, ging er hinüber zu einem Schrank und öffnete eine Schublade.
Unser junger Freund wusste schon, was auf ihn zukam. Er hätte wetten mögen, dass der Meister der Beziehungen aus diesem Schrank ein weiteres Merkblatt herausholte, welches er in wenigen Sekunden in der Hand hielt.
Er hatte die Wette mit sich selbst gewonnen. Stolz hatte ihm der erfahrene Ehemann und Meister der Partnerschaft ein Merkblatt überreicht, auf welchem stand:
„Wenn ich über die Kraft und über die Stärke verfüge, die ich benötige, setze ich diese für meine Partnerin und für unsere Partnerschaft ein“.
Jeder muss Zeit für sich selbst haben.
Der Sommer war inzwischen vorüber und hatte sich in einen wunderschönen Herbstanfang verwandelt. Langsam fielen die Blätter zu Boden und genauso langsam wurden die Tage immer kürzer. Es war ein Jahrhundertherbst, denn schon seit zwei oder drei Wochen wurde die Landschaft in ein gelb-goldenes Licht getaucht, wenn die Sonne versank.
Unser Held fühle sich sehr glücklich, als er zum zweiten Mal zum Meister der Beziehungen nach Hause fuhr.
Vorangegangen war ein Anruf des erfahrenen Ehemannes bei unserem jungen Helden, mit dem er ihn einlud, ihn an diesem Abend zu besuchen. Er hatte gesagt, er wollte ein Jubiläum feiern. Den Jahrestag seines ersten Treffens mit seiner jetzigen Frau. Und dass noch einige andere glückliche Menschen zu dieser Party kommen würden, hatte er noch erwähnt.
Voller Freude bog unser Freund in die Straße, an deren Ende das Haus des Meisters der Beziehungen stand. Er war gespannt, andere Leute kennenzulernen, denen der erfahrene Meister der Partnerschaft geholfen hatte, ihre Beziehungen zu verbessern. Und er freute sich auch darauf, die Frau seines ‘Meisters’ einmal wieder zu sehen.
Um so erstaunter war er, als er eine reine Männergesellschaft vorfand. Sechs oder sieben Freunde und Bekannte hatte der Meister der Beziehungen eingeladen und keine einzige Frau war weit und breit zu sehen. Auch die Frau des Meisters war nicht da. Hatte er nicht gesagt, es sei eine Feier zum Jahrestag des ersten Treffens mit ebendieser Frau? Unser Freund begann sich zu wundern. Es war doch wohl nicht so, dass die Ehe des erfahrenen Meisters nun in eine Krise geraten war?
Trotz der ausgelassenen und fröhlichen Stimmung mit der er empfangen wurde, kam bei unserem jungen Helden keine richtige Freude auf. Schon nach kurzer Zeit hielt er es nicht mehr aus und wandte sich an den Meister der Beziehungen: „Ich hoffe, es ist nichts passiert“, sagte er zu ihm.
Dieser schaute ihn ganz seltsam an und meinte: „Was kann denn passiert sein, was meinen Sie genau“?
Da meinte unser Held: „Ihre Frau ist nicht hier! Es ist doch Ihr Jubiläumstag! Für mich würde eine Welt zusammenbrechen, wenn Sie Schwierigkeiten hätten“.
Daraufhin sagte der Meister der Partnerschaft: „Sie meinen Schwierigkeiten in meiner Ehe?“
„Nun ja“, sagte unser Held, „ich denke nicht, dass Sie feiern, wenn Ihrer Frau etwas passiert wäre. Ja, Schwierigkeiten in Ihrer Beziehung zu ihr.“
Der Meister der Beziehungen lachte, wie schon so oft, wenn unser Held bereit war, in ein weiteres Kapitel einer erfolgreichen Beziehung eingeweiht zu werden, und sagte: „Lassen Sie uns doch da drüben in die Ecke gehen. Ein bisschen heraus aus diesem Partytrubel hier und dann erkläre ich Ihnen gerne, warum meine Frau nicht hier ist und was genau das mit unserer glücklichen Ehe zu tun hat“.
Unser junger Freund glaubte, dass er die Verwirrung wieder spürte, die ihn schon so oft überkommen hatte. Nur war dieses Gefühl nicht so stark. Irgendwo hatte er Vertrauen zu dem Meister der Beziehungen und war sicher, dass er am Ende dieser Party mit einem neuen Merkblatt nach Hause ging.
Einem Merkblatt, auf dem ein weiteres Geheimnis zum erfolgreichen Zusammensein mit einem Partner offenbart wurde. Vielleicht konnte er mit diesem neuen Geheimnis seine ohnehin inzwischen ausgezeichnete Ehe noch weiter verbessern.
„Wie geht es Ihnen in Ihrer Ehe?“, fragte der erfahrene Ehemann, nachdem sie im Nebenzimmer angekommen waren. Die Musik und die doch relativ lauten Unterhaltungen, die sie zuvor noch gehört hatten, waren inzwischen in den Hintergrund geraten und unterstützten die positive Stimmung, in der sich unser junger Freund befand.
„Meiner Ehe geht es ganz hervorragend. Ich bin glücklich wie niemals zuvor und ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mich in die Geheimnisse der perfekten Partnerschaft eingeführt haben“.
„Das heißt, Ihre Ehe läuft perfekt? Sie selbst und Ihre Frau sind glücklich?“ fragte der erfahrene Ehemann mit einem seltsamen Unterton in seiner Stimme. Es war der Ton und die Frage an sich, die unseren jungen Freund etwas irritierte.
Dennoch antwortete er: „Ja, wann immer ich merke, dass meine Kraft nachlässt, besinne ich mich kurze Zeit auf mich selbst und handle egoistisch. Wenn ich das immer wieder mache, verfüge ich über die Kraft, die es mir dann erlaubt, mich umso mehr um meine Frau zu kümmern und dadurch meine Ehe auf hohem Niveau zu stabilisieren“.
„Und es gibt wirklich nichts, auch keine winzige Kleinigkeit, die vielleicht noch besser sein könnte?“, fragte der erfahrene Ehemann wieder mit diesem seltsamen Unterton.
Unser Held versank kurze Zeit in ein Nachdenken und sagte dann ein wenig zögernd: „Es gibt da schon etwas, was vielleicht noch verbesserungswürdig wäre.“
„Und was wäre das?“, fragte der erfahrene Ehemann mit sichtlicher Neugierde.
„Nun“, antwortete unser junger Held, „es irritiert mich immer wieder, dass meine Frau keine Zeit für mich hat, wenn ich gerne bei ihr sein möchte. Das hat sich durch den Beginn des Studiums meiner Frau vor wenigen Wochen sogar noch verschärft. Es kommt immer wieder vor, dass sie zu Veranstaltungen der Universität geht und in dieser Zeit natürlich für mich nicht da sein kann.“
„Genau das ist es!“, rief der erfahrene Ehemann aus „Genau das ist der Punkt, auf den ich noch hinaus wollte. Denn das ist das, was Sie noch lernen müssen, um eine wirklich perfekte und harmonische Partnerschaft zu führen“.
„Erinnern Sie sich an das Gespräch, welches Sie mit meiner Sekretärin hatten?“, fragte der Meister der Beziehungen, nachdem er mit zwei neuen frisch gefüllten Gläsern zurückgekommen war.
Urplötzlich fühlte unser Freund, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Ganz sicher wurde er rot, denn er schämte sich dafür, dass er hinter dem Rücken des Meisters der Beziehungen versucht hatte, etwas über ihn herauszufinden.
„Nein, nein“, lachte der erfahrene Ehemann, „sie brauchen sich nicht dafür zu schämen, dass Sie hinter meinem Rücken Informationen über mich eingeholt haben. Erzählen Sie mir doch einmal, was meine Sekretärin zu Ihnen sagte!“
Es schien unserem jungen Helden, dass der Meister der Beziehungen wohl Gedanken lesen könne. Obwohl er sich im Moment äußerst unbehaglich fühlte, antwortete er trotzdem: „Ich hatte sie gefragt, ob Sie ein Egoist sind“.
„Und“, fragte der Meister der Beziehungen, „hat sie das bestätigt?“
„Sie hat es nur mit Einschränkungen bestätigt. Sie sagte, Sie seien ein rücksichtsvoller Egoist“!
„Genau, junger Freund, das ist genau das, wie ich mich selber bezeichnen würde. Ich bin ein rücksichtsvoller Egoist und das ist auch das nächste Geheimnis für eine perfekte Partnerschaft“!
„Was genau meinen Sie mit dieser Kombination“?
„Ganz einfach“, antwortete der erfahrene Ehemann, „ich nehme Rücksicht auf die egoistischen Phasen meiner Partnerin. Das heißt, ich habe Verständnis dafür, dass auch meine Partnerin sich auf sich selbst besinnen muss und Zeit für sich selbst braucht, um die Stärke und die Kraft zu sammeln, die sie braucht, um für unsere Beziehung und mich da zu sein“.
Unser Freund fing an zu verstehen. Wenn seine Frau ihrem Studium nachging und eben keine Zeit für ihn hatte, trug dies dazu bei, dass sie die Zeit hatte für sich selbst und wieder auftankte. Deshalb war sie auch so gut gelaunt und gut drauf. Deshalb hatte sie auch zu vielen Dingen wieder Lust, was man vorher von ihr nicht behaupten konnte. Sie machte genau das Gleiche wie er. Sie war egoistisch und nahm sich Zeit für sich selbst. Aus dieser Zeit für sich selbst schöpfte sie die Kraft für ihre gemeinsame Ehe.
Das war der Grund, warum sich seine Ehe in den letzten Monaten so ungeheuer verbessert hatte.
Er musste wohl ziemlich erleuchtet dagestanden haben, denn der Meister der Beziehungen legte seine Hand um seine Schultern und sagte: „Sehen Sie junger Mann, so einfach ist es im Grunde genommen. Wenn jeder den anderen akzeptiert und jeder dem anderen den Freiraum läßt, ist es letztendlich die Liebe, die dazu führt, dass zwei Menschen einen gemeinsamen Lebensweg beschreiten und dabei Spass haben. Dennoch sollten Sie eines nicht vergessen“!
„Und was wäre das?“, fragte unser junger Held.
„Einen Moment bitte“, sagte der erfahrene Ehemann und verschwand aus dem Zimmer. Ich könnte wieder wetten, dachte unser junger Freund, dass er mit einem Merkblatt zurückkommt. Kaum war dieser Gedanke zu Ende gesponnen, stand der erfahrene Ehemann in der Tür und schwenkte eine rosaroten Zettel.
„Hier“, sagte er, „Sie kennen meine Vorgehensweise. Ein Merkblatt, auf dem ein weiteres Geheimnis zu einer glücklichen Partnerschaft steht“!
„Nur wenn ich akzeptiere, dass auch meine Partnerin Zeit braucht um aufzutanken. Wenn ich ihr gegenüber diesbezüglich rücksichtsvoll und verständnisvoll empfinde, kann auch sie gestärkt und mit Kraft für unsere Beziehung und für mich da sein.“
Gibt es ein Patentrezept?
Die Party hatte sich an diesem Abend noch hingezogen. Er kam recht spät nach Hause und zwar mit einem Taxi, denn zum Schluss hatte er doch alkoholische Getränke zu sich genommen und sein Prinzip war es, dass er nach dem zweiten Bier kein Auto mehr fuhr.
„Kein Problem“, hatte der Gastgeber gesagt und ihm ein Taxi gerufen, welches ihn dann nach Hause brachte. Nicht, dass unser junger Freund betrunken gewesen wäre, aber es war wohl besser gewesen, dass er seinen Wagen erst am nächsten Tag abholte.
Jetzt, zwei Wochen später, wurde er nochmals an diese Party erinnert, denn er zog sein Jackett an, welches er damals einfach so in den Schrank gehängt hatte und fand in der linken Tasche diesen rosaroten Zettel mit dem letzten Merksatz von dem erfahrenen Meister.
Er hatte diesen Umstand ein bisschen vergessen, weil in den letzten zwei Wochen seine Frau fast immer für ihn dagewesen war und es somit nicht notwendig schien, dass er rücksichtsvoll und verständnisvoll war. Aber jetzt war es wieder anders. Sie traf sich mit Kommilitonen und hatte auch schon angedeutet, dass sie morgen den ganzen Tag darauf verwenden würde, für ihre nächste Klausur zu lernen, zusammen mit ihren Kommilitonen.
Nun, ihm sollte es recht sein, er war inzwischen zum rücksichtsvollen Egoisten geworden. Dennoch gab es einen winzigen Haken an der ganzen Sache. Was war, wenn es einem der Partner in einer Beziehung schlecht ging und der andere noch nicht aufgetankt hatte?
Was war, wenn es uns beiden schlecht ging? Was war, wenn keine Zeit zur Verfügung stand, um egoistisch zu sein? Er hatte es schon erlebt.
Erst kürzlich klagte ein Freund über seinen eigenen schlechten Zustand und schon am nächsten Tag hörte er von dessen Freundin, dass auch sie sich in einem verheerenden Zustand befand, weil sie annahm, dass sich ihr Freund nicht mehr wohlfühlte. Sie glaubte, er wolle sich von ihr trennen, weil sie ihn so sehr stresste. Deswegen hatte sie sich seit einigen Wochen eher von ihm distanziert.
Komischerweise beklagte sich sein Freund genau darüber. Er fand sie so seltsam, weil sie so wenig Interesse an ihm fand. Er hatte ihn allen Ernstes gefragt, ob er wüsste, ob seine Freundin einen Anderen hatte. Die Situation der beiden war sicher nicht besonders gut.
Hier gab es offensichtlich noch etwas zu tun, denn seiner Meinung nach hatte keiner von beiden die Möglichkeit, erst aufzutanken und dann für den anderen da zu sein.
Vielleicht gab es für diese Situation gar kein Patentrezept.
Er beschloss, selbst darüber nachzudenken und vielleicht selbst eine Lösung zu finden. Er wollte nicht unbedingt den Meister der Beziehungen mit einem solchen Problem belästigen, dennoch – je mehr er darüber nachdachte, desto mehr Vorgänge aus der Vergangenheit fielen ihm ein, wo genau dieses der Fall war.
Wahrscheinlich funktionierten die Geheimnisse für eine perfekte Partnerschaft nur, wenn man von einer stabilen und starken Plattform heraus dieses Muster immer wieder verfolgen konnte. Aber gab es nicht auch in diesem Zusammenhang vielleicht die Situation, dass beide Partner gleichzeitig in einem schlechten Zustand waren?
Er beschloss, dem auf den Grund zu gehen. Er hatte eine bestimmte Strategie, um über solche Dinge nachzudenken. Diese Strategie hatte einen Vor- und einen Nachnamen. Der Nachname war Davidson, der Vorname war Harley.
Also hatte er kurzerhand sein Jackett wieder in den Schrank zurück gehängt und war nicht zu diesem Basketball-Meisterschafts-Spiel gegangen, welches am Nachmittag stattfand.
Stattdessen zog er seine Motorradkombi an, holte seine Harley-Davidson aus der Garage und fuhr einfach ein bisschen spazieren. Das war für ihn die optimale Art und Weise, gedanklich an Problemstellungen heranzugehen.
Mit einem wohlklingenden Blubbern seines Spezialauspuffes schoss er los und genoss es schon bald, aus des Stadt heraus über Land zu fahren und dabei seinen Gedanken, genau wie seiner Maschine, freien Lauf zu lassen.
Während er mit seiner Harley über die Landstraße fuhr, fiel ihm eine Situation ein, die er vor Kurzem erst mit seiner Frau erlebt hatte. Obwohl er ein rücksichtsvoller Egoist war, kam es dennoch zu einem Eklat und er wusste bis heute noch nicht, warum sie sich damals so gestritten hatten.
Es ging wieder einmal darum, dass ein Familienfest anstand. Sie hatten sich darum gestritten, wann zu welchen Familienangehörigen gefahren werden sollte. Er wollte, dass sie zuerst zu ihren Eltern fahren und dann zu seinen. Sie wollte, wie schon so oft in der Vergangenheit, genau das Gegenteil.
Ihm war bis heute noch nicht klar, warum sie diese Position einnahm. Vor allen Dingen hatten sie sich aus dieser Situation heraus gestritten und wie schon ein paar Mal zuvor in den vergangenen Jahren, war es dann soweit gekommen, dass sie zuerst zu seinen Eltern fuhren, dann zu ihren und glücklich waren weder er noch sie.
Beinahe wäre er an der Abzweigung vorbeigefahren. Die Abzweigung, die auch zu einem der letzten offenen Biergärten dieses Jahres führte. Er setzte den Blinker rechts, bog ab und folgte dem Schild zu diesem Biergarten, in dem er mit seiner Frau schon so oft und so viele glückliche Stunden verbracht hatte.
Je mehr er über diesen unglücklichen Vorfall nachdachte und je näher er dem Biergarten kam, desto tiefer sank seine Stimmung, die dann, als er auf den Parkplatz der Waldgaststätte einbog, schlussendlich auf dem Nullpunkt angelangt war. Mehr frustriert als glücklich, beschloss er, seine Lieblingsspeise, den bayerischen Leberkäse mit zwei Spiegeleiern zu bestellen und versuchte, Ordnung in sein gedankliches Chaos zu bringen. Der Leberkäse kam nach einiger Zeit, angebräunt von beiden Seiten mit einem Spiegelei.
„Warum ist da nur ein Spiegelei auf dem Leberkäse?“, fragte er die junge Kellnerin. Diese, ein bisschen gestresst durch die Hektik des Tages und der vielen Gäste, drehte sich um und sagte:
„Entschuldigen Sie bitte. Woher bitte soll ich wissen, dass Sie zwei Spiegeleier oder fünf Spiegeleier möchten? Sie müssen es mir schon sagen. Gedanken lesen kann ich nun mal nicht.“
Unser Held war erstaunt über diese, fast ruppige, Antwort und musste sich ernsthaft überlegen, ob er nicht zwei Spiegeleier bestellt hatte. War es nicht so, dass er manches Mal Dinge, die er dachte, nicht aussprach, aber erwartete, dass der andere seine Gedanken las?
Er wurde nachdenklich. War dieses kleine kommunikative Problem nicht stellvertretend für viele Situationen, die er in seiner Ehe und in seinem beruflichen Leben, oder auch mit Freunden erlebt hatte? Die Kellnerin hatte recht. Woher sollte sie wissen, wie viele Spiegeleier er zum Leberkäse mochte. Schließlich war er kein Stammgast und konnte nicht erwarten, dass jeder weiß, wo seine Vorlieben sind.
Er entschied sich, darüber nicht weiter nachzudenken und genoss zunächst einmal sein Essen.
Abends, als er dann sein Motorrad wieder in der Garage parkte, begann er noch einmal über diese Situation nachzudenken und entschloss sich, am nächsten Tag noch einmal den erfahrenen Ehemann und Meister der Beziehungen zu kontaktieren.
Glauben heißt nicht wissen
Er hatte den Meister der Beziehungen angerufen und ihn nochmals um einen Termin gebeten. Ein Treffen, bei dem er ein fünftes Geheimnis zur perfekten Beziehung erkunden wollte. Diese Begegnung war allerdings anders gelaufen, als sich unser junger Held das vorgestellt hatte.
Der Meister der Ehe hatte ihn, na ja, man konnte sagen, abblitzen lassen. Abblitzen deshalb, weil unser erfahrener Meister der Beziehungen auf seine Frage keine Antwort wusste.
Immerhin hatte er einen Rat. Einen guten Rat. Und diesem sollte unser junger Freund nun folgen.
„Gehen Sie zu meiner Frau“, hatte der erfahrene Ehemann gesagt. „Denn dieses Problem, welches Sie beschäftigt, ist das, womit ich mich auch beschäftigt hatte und was ich erst durch meine Frau lernen konnte. In dieser Beziehung war sie wesentlich weiter als ich. Deswegen würde ich Ihnen empfehlen, direkt mit ihr zu sprechen. Ich bin für Sie vielleicht in dieser Beziehung der falsche Ansprechpartner.“
Später saß unser Held da und traute sich nicht so recht, die Frau des Meisters der Beziehungen anzurufen.
Immerhin hatte der ihr Ehemann ihm die ganzen Geheimnisse mit auf den Weg gegeben, die seine Ehe perfekt machten, und jetzt sollte er zu seiner Frau gehen und sich offenbaren? Sie würde es bestimmt nicht besonders schätzen, wenn er jetzt zu ihr kam, nachdem er erst seine ganzen anderen Probleme in seiner Beziehung mit ihrem Mann gelöst hatte.
Sie musste doch den Eindruck haben, dass sie und ihr Mann eine Art psychologische Beratungsstelle für Ehekrisen sind. Konnte er ihr das wirklich zumuten? Würde er sich nicht zum Hampelmann machen?
Wahrscheinlich schon. Er wurde sich immer sicherer. Immer mehr versank er in seine Gedanken, bis ihn eine Stimme abrupt in die Realität zurückholte.
„Hören Sie, ich weiß nicht wozu ich Ihnen das viele Geld jeden Monat zahle, aber sicher nicht, dass Sie den ganzen Tag träumen!“, rief eine unwirsche Stimme unseren Helden jäh aus seinen Überlegungen. Sein Chef war wieder ein Mal in sein Büro geschneit und drohte ihm. Dieser Mensch konnte ihn einfach nicht leiden. Das war von Anfang an so, und zwar nur deshalb, weil er 10 Jahre jünger war als der Typ.
„Entschuldigung, ich komme sofort“, sagte unser Freund und beschäftigte sich sofort wieder mit seinem Job, indem er einen Stapel Akten aufnahm und seinem Boss folgte. Er hatte tatsächlich die anstehende Besprechung vergessen. Er wollte sich konzentrieren. Seine privaten Fragen verschob er auf später.
An diesem Abend, als er endlich aus diesem endlos langen Meeting verschwinden konnte, auf dem Weg nach Hause, griff er seine Idee wieder auf. Was würde die Frau des Meisters der Beziehung denken, wenn er jetzt mit seinen Problemen zu ihr kam?
Wenn er darüber nachdachte, kam er immer mehr zu dem Entschluss, dass genau das der Kernpunkt seiner Frage ist. Woher konnte er wissen, was sie davon hielt, wenn er sie nicht direkt fragen würde. Kurz entschlossen nahm er sein Handy und wählte die Nummer der Frau des Meisters der Beziehungen.
„Hallo“, sagte er. „Ihr Mann hat mir empfohlen, mich an Sie zu wenden. Ich komme mir zwar nicht besonders klug dabei vor, weil ich jetzt Sie auch noch belästige, nachdem ich Ihren Mann belästigt habe und Sie das ganz sicher nicht so toll finden. Und dennoch habe ich eine Situation, mit der ich nicht so recht umzugehen weiß und deswegen bitte ich Sie, mir zu helfen“.
Die Frau des Meisters der Beziehungen hatte sofort zugesagt und dabei gelacht. Sie sagte: „Ich glaube ich habe Ihr Problem schon erkannt. Kommen Sie doch einfach vorbei. Vielleicht morgen Nachmittag, so gegen Abend. Ich will einen Apfelkuchen backen. Wenn Sie dann kommen, ist er kalt genug und ich werde Ihnen gerne ein Stück anbieten“.
Er stand wieder vor dieser Türe und klingelte. Die Türe öffnete sich, die Kinder johlten wieder durch das ganze Haus, der kleine Hund, der inzwischen nicht mehr ganz so klein war, sprang ihn an, freudig erregt, dass er einen neuen Besucher kennenlernte und die Frau des Meisters der Beziehungen bat ihn herein und bot ihm einen Platz an.
Der Duft des Kuchens war dominant. Es roch intensiv nach frischem Apfelkuchen. Während er tief die Luft einsog, bot die Frau des erfahrenen Meisters der Beziehungen ihm auch schon ein Stück an. „Möchten Sie eine Tasse Kaffee zum Kuchen?“, fragte sie ihn.
„Gerne“, sagte unser Held und sprudelte wieder einmal los: „Ich bin sicher, dass Sie keine hohe Meinung mehr von mir haben, nachdem ich mit all diesen Problemen in meiner Ehe und meinem Leben zu Ihnen und Ihrem Mann gekommen bin“.
Bevor er den Satz zu Ende formulieren konnte, schaute ihn die Frau des Meisters der Beziehungen recht unwirsch an und sagte zu ihm: „Wissen Sie, genau das ist das Problem. Ich nehme an, dass Sie deswegen zu mir gekommen sind!“
„Sie nehmen an. Sie glauben?“
„Glauben heißt nicht wissen“, fuhr sie fort und „Glauben gehört in den Religionsunterricht und in die Kirche. Sie sollten vermeiden, Aktionen aufgrund einer Annahme oder eines wagen Glauben durchzuführen“
„Was meinen Sie damit genau?“, stotterte unser junger Freund und fühlte sich plötzlich nicht mehr wohl in seiner Haut, obwohl der Apfelkuchen sehr lecker schmeckte.
Irgendwie war er wohl wieder ins Fettnäpfchen getreten. Es blieb ihm auch nichts erspart.
„Nun“, antwortete die Frau des erfahrenen Ehemannes, „genau, wie ich es sage.“
„Wenn Sie nur meinen oder annehmen oder glauben, dass ein anderer Mensch irgendetwas empfindet, fühlt, möchte, oder von Ihnen annimmt, dann sind Sie eben auf dem Holzweg, auf dem berühmten“.
„Ja, aber..“, wandte unser junger Freund ein.
„Nichts aber“, entgegnete die Frau. „Sie sollten lieber Fragen stellen. Lieber herausfinden, was der andere wirklich will. Nur dann können Sie entscheiden, was Sie tun sollten. Nur dann können Sie sich wohlfühlen. Nur dann wissen Sie, ob das was Sie tun, auch das ist, was der andere will.“
„Schauen Sie, Sie haben zum Beispiel überlegt, was ich wohl davon halte, dass Sie mich um Rat fragen. Aufgrund Ihrer Annahme, was ich davon halten könnte, haben Sie entschieden, hierhin zu kommen und sich dabei nicht wohlzufühlen. Wissen Sie, Ihre Annahme hat Sie völlig fehlgeleitet.“
„Ich freue mich über jeden, der mich um Rat fragt und ich freue mich auch über jeden, dem ich die Dinge mitteilen kann, die ich gelernt habe. Und ich schätze Menschen, die mich um Rat fragen mehr, als andere, die ihr Leben vor sich hin fristen und ohne zu fragen, was andere Menschen von ihnen halten oder von ihnen wollen, deshalb die falschen Dinge machen und damit immer wieder gegen die Wand laufen“.
„Ja, aber …“, stammelte unser Freund, völlig überrascht von der Tirade, die sich über ihn ergoss.
„Nichts aber“, lachte die Frau des Meisters der Beziehungen zum wiederholten Male.
„Fragen Sie direkt und geradeheraus, was die Menschen wollen. Nehmen Sie nichts an, glauben Sie nicht Sie wüssten, denn wann immer Sie glauben Sie wüssten: Sie liegen falsch. Wenn Sie nicht den anderen fragen und erst auf Basis der Antwort des anderen entscheiden.“
Unserem jungen Helden ging es gar nicht gut. Vor ihm stand eine Frau, die sehr genau ihren Standpunkt vertreten konnte und er fühlte sich von ihr ziemlich bevormundet. Hoffentlich war es bald vorbei, denn er begann immer mehr zu bereuen, dass er gekommen war; und zu allem Überfluss fing auch der Apfelkuchen an, weniger gut zu schmecken.
Je länger er jedoch darüber nachdachte, war es im Grunde genommen schon oft vorgekommen, dass er annahm, seine Frau, oder irgendein anderer Mensch, wollte irgendetwas. Und aufgrund dieser Annahme, dieses vagen Glaubens, hatte er dann irgendetwas gemacht, und das war nachher nach hinten losgegangen.
Er fand auch viele Gegenbeispiele, die sozusagen gut ausgegangen waren, weil immer er genau das gemacht hatte, wozu der andere Mensch ihn aufgefordert hat. Wann immer er seiner Frau einen Wunsch erfüllen konnte, den sie ausdrücklich geäußert hat, war die Beziehung zu ihr die harmonischste und perfekte, die er sich vorstellen konnte.
Vielleicht war auch dieser Besuch ihrer oder seiner Eltern deswegen zum Stress geworden, weil er vielleicht nur annahm, sie wolle nur zu ihren Eltern und nicht zu seinen Eltern.
Vielleicht hatte sie nur angenommen, er wolle nur zu seinen Eltern und nicht zu ihren Eltern. Plötzlich fand er sich in einem gedanklichen Verwirrspiel von Fragen über Fragen.
Er nahm an und sie nahm an und wer hat wen oder was angenommen und wodurch. Überaus verwirrend das Ganze.
Und irgendwie muss unser junger Freund ziemlich fassungslos und weltentrückt dagesessen haben, denn plötzlich spürte er an seiner Schulter die Frau des erfahrenen Ehemannes, wie sie ihn anstieß und freundlich fragte: „Möchten Sie noch ein Stück Apfelkuchen?“.
Er war zurück in der Welt der Realität und die Frau des Meisters der Beziehungen war nun wieder sehr freundlich. Kaum zu glauben, dass sie ihm kurz zuvor eine solche Standpauke gehalten hatte. Er sagte: „Danke, gerne möchte ich noch ein zweites Stück Apfelkuchen, der ganz hervorragend schmeckt. Und darüber hinaus möchte ich mich bei Ihnen bedanken, Sie haben mir doch einen ganz wesentlichen Impuls mitgegeben, über den es sich lohnt, nachzudenken“.
Daraufhin lächelte ihn die Frau an, ging zur Küchenschublade und holte einen Zettel heraus. Unser junger Freund musste lächeln, denn er wusste nun, was auf ihn zukam. Er würde ganz sicher ein neues Merkblatt erhalten. Diesmal nicht vom Meister der Beziehung, sondern von seiner Frau.
Lächelnd reichte die Frau ihm das Merkblatt und sagte: „Sie wissen, was das ist. Sie haben schon ein paar davon. Dieses hier hat nichts mit einer glücklichen Beziehung alleine zu tun, sondern auch mit der Kommunikation mit Menschen, mit der Beziehung in jeder Situation, mit Kollegen, mit Eltern, mit Freunden und Bekannten und natürlich auch mit Ihrem Lebenspartner.“
Hocherfreut nahm unser junger Mann das Blatt, drehte es um und konnte dort noch einmal das lesen, in zusammengefasster Form, was die Frau des Meisters der Beziehung ihm zuvor in einer etwas unangenehmeren Art mitgeteilt hatte.
„Glauben heißt nicht wissen. Erst durch geeignete Fragen erzielt man Gewissheit und erst auf Basis dieser Gewissheit kann eine Aktion zum Erfolg führen“.
Die Macht der Fragen
Er hatte die Frau des Meisters der Beziehung gefragt: „Kann ich, wenn ich noch weitere Fragen habe, wieder auf Sie zurückkommen und Sie bitten, mir zu helfen, eventuell auftauchende neue Situationen zu erklären?“
„Natürlich“, hatte die Frau des Meisters gesagt. „Sehen Sie, Sie haben schon gelernt. Sie nehmen nicht an, dass es mir irgendwie peinlich wäre, dass Sie kommen oder unangenehm, oder was auch immer, sondern Sie fragen. Sie stellen eine klare und deutliche Frage und ich gebe Ihnen eine klare und deutliche Antwort.
„Ja, mein Lieber, kommen Sie immer wieder, wenn Sie diesbezüglich oder auch in anderer Beziehung eine Situation haben, wo Sie meine Hilfe brauchen können. Ich bin offen und ehrlich genug, Ihnen auch einmal zu sagen, wenn es mir einmal nicht passt und ich kann Ihnen versichern, wenn ich auf eine Ihrer Fragen keine Antwort weiß, werde ich auch offen und ehrlich sein, Ihnen das mitzuteilen.“
Inzwischen, eine Woche später, stellte unser Held fest, dass er mit seiner Frau ein noch besseres Verhältnis hatte als jemals zuvor.
Nicht zuletzt deshalb, weil er sie ganz genau fragte, bevor er irgendetwas annahm. Oder er verifizierte seine Annahmen, indem er, bevor er etwas Dummes tat, seine Frau fragte. Das Verhältnis hatte sich ganz hervorragend entwickelt.
Es kam fast nie zu Auseinandersetzungen, obwohl es doch ab und zu noch geschah. Das was der Punkt, an dem sich unser junger Freund immer wieder wunderte und sich fragte; „Muss es denn, obwohl ich ein rücksichtsvoller Egoist bin und nicht mehr die Gedanken in meiner Frau lese, manchmal zu Streitereien kommen?
Fehlt nicht vielleicht doch noch eine Kleinigkeit, die noch zusätzlich zu beachten wäre, um damit das Verhältnis in meiner Beziehung noch mehr zu verbessern?“
Das war eine interessante Frage und unser Held entschied sich dieser Frage auf den Grund zu gehen. Nicht heute, doch in der nächsten Zeit.
Einige Tage später schlenderte er mit seiner Frau durch die Innenstadt. Sie wollte einkaufen und ein bisschen bummeln. Früher hatte es immer Streit gegeben, dieses Mal lief es harmonisch. Denn sie hatten vorher genau geklärt, zu welchem Zweck sie in die Innenstadt fahren wollten. Es war nicht immer so gewesen, aber sie hatten beide gelernt und ihre Ehe lief harmonisch. Während sie so an den Modegeschäften entlang schlenderten, sah er ein Plakat. Und dieses Plakat weckte sofort seine Aufmerksamkeit und fesselte ihn an die großen fetten Buchstaben: DIE MACHT DER FRAGEN.
In der Zeile darunter konnte man lesen, dass es ein Seminar angeboten wurde, welches an nächsten Abend in der Nähe ihrer Wohnung stattfand. Das Thema: Erfolg und Misserfolg durch die verschiedenen Arten der Fragestellung.
Ganz aufgeregt sagte es zu seiner Frau: „Schau mal, Liebling, erinnerst du dich an den Merkzettel, den ich Dir von der Frau des erfahrenen Meisters der Beziehung zeigte?“
„Auf diesem Merkzettel steht doch irgendetwas von den richtigen Fragen und hier ist ein Seminar über Fragen, über die Macht der Fragen“.
„Ich möchte dieses Seminar besuchen, um mehr über die Macht der Fragen zu lernen. Hast du nicht Lust mich zu begleiten? Es wäre morgen Abend.“
Seine Frau hatte spontan zugesagt. Sie verbrachten den Rest des Nachmittags in einer glücklichen Stimmung in der Innenstadt und beide konnten für ihre Bedürfnisse noch eine Kleinigkeit kaufen.
Am nächsten Abend besuchte unser junger Held mit seiner Frau dieses Seminar: „Die Macht der Fragen“. Er war nicht wenig erstaunt, als er im Vorraum zur Halle, in der das Seminar stattfand, einen guten alten Bekannten wiedertraf. Der Meister der Beziehung und seine Frau waren ebenfalls als Gäste bei diesem Seminar. Und während Sie gemeinsam hineingingen, sagte die Frau des Meisters: „Ich bin froh, dass Sie heute hier sind. Ich denke, Sie können eine Menge lernen. Der Trainer ist ein erfahrener Kommunikationsspezialist und ich bin sicher, dass er uns helfen kann, die Beziehung zu unseren Partnern noch mehr zu verbessern“.
Unser junger Held fühlte sich bestätigt. Es war ein guter Entschluss, zu diesem Seminar zu gehen. Nun war er sehr gespannt, auf das, was der Trainer, dieser Kommunikationsspezialist, mitzuteilen hatte.
Es war ein beeindruckender Vortrag, den der Referent hielt. Und das aller tollste stellte sich am Ende seines Seminars heraus: Der Meister der Beziehung und seine Frau kannten den Trainer persönlich. Kurzerhand wurden unser Freund und seine Frau dem Redner vorgestellt und inzwischen saßen alle fünf beim Essen in einem nahegelegenen Restaurant. Eine optimale Gelegenheit für unseren jungen Helden, noch mehr Antworten zum Thema „Die Macht der Fragen“ zu erhalten.
„Wie kamen Sie dazu, Kommunikationstrainer zu werden?“ war dann, sobald das Essen serviert wurde, die Frage, die unser Freund dem Kommunikationstrainer stellte.
„Wissen Sie, ich führte irgendwann einmal in meinem Leben eine verheerende Ehe….“. Während der Trainer sprach, begannen der erfahrene Ehemann und seine Frau zu lachen und ehe der Trainer seinen Satz vollständig beendete, brachen alle in ein schallendes Gelächter aus.
Es war wohl normal, dass die Menschen ein oder mehrere verheerende oder weniger schöne Beziehungen in ihrem Leben hatten. Heutzutage konnte sowohl unser junger Freund, als auch seine Begleiterin nur darüber lachen, denn inzwischen hatten sie die Geheimnisse des rücksichtsvollen Egoisten und die kleinen Tipps und Tricks am Rande kennengelernt und konnten damit solchen Schwierigkeiten aus dem Wege gehen.
Nachdem sich alle wieder beruhigt hatten, erzählte der Trainer, wie alles gekommen sei. „Irgendwann“, so sagte der Trainer, „nach einem heftigen Streit mit meiner damaligen Frau, heulte ich mich bei unserem gemeinsamen Freund hier, dem Meister der Beziehung aus, und fragte ihn, warum passiert das immer wieder mir? Warum trifft es immer wieder mich? Warum bin ich nur ein solcher Versager?“
Der Meister der Beziehung hat daraufhin geantwortet: „Ich habe keine Ahnung. Das Einzige, was ich weiß ist, dass du kein ungerader Kerl bist. Aber warum deine Ehen scheitern, warum du ein Versager bist, wenn du überhaupt einer bist, ich habe keine Ahnung“.
„Kein Mensch konnte mir sagen“, fuhr der Trainer fort, warum ich ein Versager war. Ich fragte Gott und die Welt: „Warum bin ich nur ein solcher Versager? Warum gehen alle meine Beziehungen in die Brüche? Keiner wusste eine Antwort. Viele stellten Mutmaßungen an, die sie zum Besten gaben. Diese Mutmaßungen halfen mir nicht weiter. Der eine sagte sogar: „Vielleicht, weil du einfach zu blöd bist“.
„Ich frage Sie“, und er richtete diese Frage an unseren jungen Helden, „was hätten Sie mir zur Antwort gegeben?“
Unser junger Held antwortete daraufhin: „Wahrscheinlich hätte ich damals gesagt, ich habe keine Ahnung. Heute jedoch kann ich Ihnen weiterhelfen“.
Der Kommunikationstrainer schaute unseren jungen Helden mit großen Augen an und sagte: „Oh, ich bin sehr interessiert, wie Sie mir weiterhelfen können. Wie würden Sie mir heute weiterhelfen, was würden Sie heute antworten?“
Auch der Meister der Beziehung, seine Frau und die Frau unseres jungen Helden schauten ganz aufmerksam in die Richtung unseres Freundes. Dieser setzte ein ganz breites Grinsen auf, zog einen Zettel aus der Tasche und sagte
„Wissen Sie, ich habe von dem Meister der Beziehung und seiner Frau immer Merkblätter erhalten. Diese Merkblätter haben mir sehr weitergeholfen. Deswegen möchte ich auch heute ein Merkblatt hier verteilen, über das was ich gerade zuvor in Ihrem Seminar gelernt habe.“
Er hatte dieses Blatt viermal geschrieben und teilte es nun aus. Auf dem Blatt stand ganz deutlich zu lesen:
„Die Qualität der Fragen entscheidet über die Qualität Ihres Lebens“.
Wortlos hatten die Begleiter unseres jungen Freundes an diesem Abend, nachdem er diesen Zettel ausgeteilt hatte, am Tisch gesessen und waren erstaunt über die klare und prägnante Schlussfolgerung, die er aus dem Seminar des Kommunikationstrainers gezogen hatte.
„Gratuliere“, sagten der Meister der Beziehung und der Trainer fast gleichzeitig, „Sie haben wirklich was gelernt.“ Und unseren Helden schwoll sichtlich die Brust. Als seine Frau dann noch sagte: „Ich bin froh, dass ich dich habe“, konnte er sein Glück kaum noch fassen.
Die Überraschung
Nun saß unser Held mit seiner Frau in der Kneipe, wo alles begonnen hatte, im Los Papasitos bei einem wunderschönen mexikanischem Essen. Sie unterhielten sich über das Seminar, welches sie erst in der letzten Woche besuchten. Sie hatten sich seit dieser Zeit beide gegenseitig kontrolliert. Wann immer er oder sie eine schwächende Frage benutzten, hatten sie sich gegenseitig aufmerksam darauf gemacht und somit immer mehr die Qualität ihrer Fragen verbessert.
Nach einer Woche, so hatten sie es vorher verabredet, wollten sie sich wieder einmal zu einem mexikanischen Essen hinreißen lassen und vielleicht den einen oder anderen Strawberry-Margarita trinken. Bei diesem Essen wollten sie noch einmal alles Revue passieren lassen und vielleicht noch einmal gemeinsam die Macht der Fragen thematisieren.
„Erinnerst du dich noch, was schwächende Fragen sind?“, fragte unser Held seine Frau.
Diese antwortete: „Nun, abgesehen davon, dass das, was du gerade formuliert hast, durchaus auch eine Frage ist, kann ich mich sehr wohl daran erinnern, dass schwächende Fragen in aller Regel mit dem Fragewort ‚warum‘ beginnen.“
„Also dann“, sagte unser junger Freund. „Dann frage ich mich allerdings jetzt, warum du heute ausgerechnet zum Mexikaner wolltest?“
Nun lachte seine Frau zurück. „Richtig. Nicht immer ist die Frage, die mit ‚warum‘ beginnt, eine schwächende Frage. Aber du weißt ja selbst wie oft du Dir und wie oft ich mir die Frage gestellt habe: „Warum geht es uns nur so schlecht im Moment?“
„Wir sind niemals zu einer Antwort gekommen. Und seit wir stärkende Fragen kennen, können wir diese Situationen, in denen es uns nicht so gut geht, zumindest in der letzten Woche bis heute ganz hervorragend verändern“.
„Tja“, sagte unser junger Held zu seiner Frau, „ Damit hast du absolut recht, es ist viel besser zu fragen, wie kann es mir besser gehen, was kann ich tun, damit ich meine Situation verbessern kann, als zu fragen, warum bin ich nur so ein armer Tropf“.
In diesem Moment erschien der Kellner und sagte zu der Frau unseres jungen Helden: „Entschuldigen Sie bitte, aber die Enchiladas, die Sie bestellt haben, sind leider ausgegangen“.
Noch im selben Augenblick konnte unser junger Freund beobachten, wie seine Frau in einen kraftlosen Zustand verfiel und sagte: „Was heißt ausgegangen, warum sind denn diese jetzt ausgegangen, warum kriege ich denn heute nicht die Enchiladas, auf die ich mich schon die ganze Woche gefreut habe?“
„Halt, halt“, rief unser Freund. „Weißt du, was du gerade gemacht hast?“ Und seine Frau antwortete: „Nein, ich weiß nicht, was ich gemacht habe. Ich weiß nur, dass ich keine Enchiladas bekomme, obwohl ich mich die ganze Woche darauf gefreut habe“.
„Du hast eine schwächende Frage benutzt“, sagte unser Held, „Warum bekommst du diese Enchiladas nicht? Vielleicht kennt der Kellner eine Antwort darauf: nämlich, dass die Enchiladas einfach aus sind und vielleicht hat der Koch oder der Geschäftsführer zu wenig eingekauft. Wie auch immer, diese schwächende Frage bringt dich nicht weiter“.
„Du hast recht“, sagte seine Frau. „Nehmen wir einfach eine stärkende Frage“.
„Lieber Kellner, was können Sie mir denn alternativ anbieten und wie kann ich denn zu einem mexikanischen Hochgenuss kommen?“
Der Kellner, der diesen Dialog mit anhörte, schaute etwas konsterniert und konnte nicht ganz nachvollziehen, was vor sich ging. Immerhin war er froh, dass er aufgrund der neuen Verhältnisse nicht mehr in einer ganz so gefährlichen Situation war, wie vorher.
Er sagte: „Nehmen Sie doch vielleicht die Kesadillas. Es schmeckt fast ähnlich, sind dieselben Zutaten, es ist nur eine andere Zubereitungsart.
„Nun, gut“, sagte die Frau unseres jungen Helden, „ich nehme einfach die Kesadillas“.
Nur eine Viertelstunde später waren sie dann da: die Kesadillas. Jetzt kam es darauf an: Hatte die stärkende Frage den Abend gerettet?
„Hmm“, sagte sie mit einem leichten Schmatzen in Ihrer Stimme. „Diese Kesadillas schmecken viel besser als die Enchiladas. Ein Hochgenuss.“
“Siehst du“, sagte unser junger Freund erleichtert, „manchmal ist es sehr vorteilhaft, wenn irgendetwas nicht so kommt, wie man es geplant hat. Man kann dadurch etwas Neues lernen. Hier hast du ein neues Gericht entdeckt, was dir auch schmeckt. Und weißt du warum?“
„Ja“, sagte Sie wiederum mit einem leichten Schmatzen, „weil ich eine stärkende Frage gestellt habe. Und wie wir gelernt haben, werden stärkende Fragen mit ‚Wie‘ oder ‚Was‘ eingeleitet“.
Plötzlich hielt sie mit ihrem dezenten Schmatzen inne und lächelte ihn frech an. „Übrigens habe ich eine Überraschung für dich, sagte sie und griff in ihre Aktentasche. Er hatte sich gewundert, warum sie zum Mexikaner eine Aktentasche mitnehmen musste. Gott sei Dank waren die Zeiten vorbei, als er noch in ein solches Verhalten irgendetwas hinein interpretierte. Er hatte beschlossen, sich überraschen zu lassen und jetzt war es wohl so weit.
„Was glaubst du was es ist?“ „Keine Ahnung, spann mich nicht so auf die Folter.“
„O.K.“, lachte sie und zog zwei Blätter hervor. Er war erstaunt. Er war verblüfft. Und er spürte, wie sehr er sie liebte! Sie hatte zwei Merkblätter angefertigt.
Viel besser als die vom Meister der Beziehung oder seiner Frau. Nein, ihre waren richtige Kunstwerke: mit Liebe gestaltete Ausdrucke.
Schwächende Fragen
Warum immer ich?
Warum passiert das ausgerechnet mir?
Warum habe ich das bloß getan?
Warum geht es mir so schlecht?
Warum komme ich nicht aus einer reichen Familie?
Die Frage nach dem Warum ist schwächend und bringt in der Regel keinen Erkenntnisgewinn.
Diese Fragen kannst du einfach
überspringen. Wende dich
lieber gleich den stärkenden Fragen zu.
Starke Fragen
Wie kann ich das nutzen?
Wie möchte ich mich fühlen?
Wie geht es jetzt weiter?
Was kann ich daraus lernen?
Was ist toll im meinem Leben?
Was werde ich in ein paar Jahren rückblickend davon halten?
Wie und was sind stärkende Fragen die du dir immer stellen kannst.
Ende gut, alles gut.
Unser Held war ein bisschen hektisch. Übermorgen war es so weit: sein 10. Hochzeitstag. Er hatte eine kleine Party organisiert. Na ja, klein ist relativ, 40 Personen. Unglaublich, wie viel organisatorischer Stress damit verbunden war. Der Raum war gemietet, die Band bestellt.
Der Partyservice würde das Essen pünktlich liefern und das Schwierigste hatte er auch erledigt: Die Freunde eingeladen. Das war das Komplizierteste, denn eine Überraschung blieb es ja nur, wenn er jeden Einzelnen verpflichten konnte, nichts seiner Frau zu sagen. Deshalb hatte er jeden seiner Freunde persönlich unterrichtet, die meisten telefonisch. Alle, bis auf einen und diesen Letzten, den wollte er jetzt anrufen.
„Hallo, endlich erreiche ich dich“, atmete unser Held auf, als er seinen Freund schließlich erreichte. „Ist schwer, dich zu erreichen.“
„Ich war in einem Kurzurlaub – hab’s nötig gehabt“, antwortet der Andere.
„Hast wohl zu viel gearbeitet in der letzten Zeit?“, fragte unser Held nach, denn irgendetwas an der Stimme seines Freundes irritierte ihn.
„Ja, in der Tat, aber leider habe ich auch noch massiven Stress mit meiner Freundin. Ich weiß gar nicht mehr, was ich noch tun soll“, lautete die Antwort.
„Oh…oh, das kenne ich. Ich hatte das auch mal, allerdings ist das jetzt schon fast 8 Jahre her und ich wollte dich zu meiner Feier einladen. Ich hege allerdings fast den Verdacht, dass wir uns möglichst bald treffen sollten. Ich kenne einige Maßnahmen, mit denen du sicher deine Probleme aus der Welt schaffen kannst.“
„Ich habe zwar keine Hoffnung mehr, aber immerhin klappt es bei dir ja seit vielen Jahren und irgendwas machst du wohl richtig. Wenn du Zeit hast, komme ich heute Mittag vorbei.“
„Seit einigen Jahren ist gut. Die Feier, von der ich vorhin sprach, ist anlässlich unserer 10-jährigen Hochzeit. Wie dem auch sei, komm vorbei. Heute mittag passt gut.“ Mit diesen Worten beendete unser Held das Telefonat und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Viele Gedanken schossen ihm durch den Kopf.
Immer wieder, dachte er, gibt es Stress in Beziehungen. Wohin er auch schaute, fast jede Beziehung war unter Druck. Paare erlebten den schönsten Honeymoon und dann, nach einigen Monaten, bestenfalls nach ein paar Jahren, krachte es und aus war es mit den Beziehungen und Ehen. Er war froh, dass er damals den Meister der Beziehung kennenlernte. Sie hatten immer noch guten Kontakt und soweit er wusste, betreute er immer wieder Menschen, die Schwierigkeiten in der Partnerschaft hatten.
Je mehr er über das Ganze nachdachte, desto mehr gefiel ihm der Gedanke, auch den Menschen zu helfen. Im Grunde genommen war er inzwischen auch ein „Meister der Beziehung“.
Er musste lachen, aber es war nun einmal so. Punkt und Schluss. Immerhin hatte er übermorgen seinen 10 Hochzeitstag und es sah am Anfang nicht so aus, als ob er den jemals erleben würde.
Ja, er würde als „Meister der Beziehung“ seine Erfahrungen anderen anbieten. Sein erster „Kunde“ sollte sein Freund sein.
Jetzt musste er nur noch ein Mal alles zusammenfassen, was er damals gelernt hatte. Immerhin war es schon einige Jahre her. Natürlich lebte er die damals gelernten Lebensweisheiten, aber sie waren ihm so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er sich entschloss, schnell eine Zusammenfassung aufzuschreiben – damit er seinen Freund auch wirklich helfen konnte und dieser dann mit seiner Freundin zu seiner Feier kommen würde.
Wie war das gleich noch mal?
Frauen sind auch Menschen. Frauen haben genauso Bedürfnisse wie Männer, sie haben Wünsche und sie haben Sehnsüchte. Auch Frauen besitzen ein Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, eine eigene Moral und eine eigene Ethik. Das alles sind Dinge, die Männer schnell vergessen und Frauen in eine bestimmte Rolle hineinpressen und sie dann dort in dieser Rolle belassen, obwohl die Frau sich dieser Rolle nicht bewusst ist und möglicherweise diese Rolle auch nicht dem entspricht, was die Frau in ihrem Leben erreichen will.
Sinn der Ehe ist es, dass zwei Individuen einen Teil ihres Weges gemeinsam gehen und bereit sind, in gegenseitiger Rücksichtnahme den anderen zu respektieren, ohne dabei die eigene Persönlichkeit aufzugeben.
Der Sinn der Ehe oder einer Lebensgemeinschaft ist es also nicht, dass jeder das macht, was er will, ohne Rücksicht auf Verluste. Aber auch nicht, dass einer der Partner sein Leben total aufgibt, nur um dem Anderen zu dienen und die Ziele des Anderen zu seinen eigenen Zielen macht. Solch eine Aufgabe des eigenen Ichs führt zwangsläufig zu Schwierigkeiten. Die heutige Zeit ist aufgrund des sozialen Umfeldes nicht mehr für eine patriarchische Beziehung geschaffen. Nur wenn es mir gut geht, indem ich mich um mich gekümmert habe, habe ich die Kraft und die Stärke, immer dann für meinen Partner da zu sein, wenn dieser mich braucht. Das hat nichts mit Egoismus zu tun. Das hat nur damit zu tun, dass ein Mensch, der sich selbst nicht gut fühlt, selbst nur schleppend für einen anderen Menschen da sein kann. Jeder Mensch, der selbst Probleme hat, verfügt über weniger Energie, die er anderen geben kann. Deshalb ist es oft besser, sich erst selbst zufriedenzustellen um dann, mit mehr Energie, anderen zu helfen.
Wenn ich über die Kraft und über die Stärke verfüge, die ich benötige, setze ich diese für meine Partnerin und für unsere Partnerschaft ein.
Das ist der Sinn der Ehe oder entsprechender Lebensgemeinschaften ohne Trauschein. Denn warum sonst sollte man sich zu einer solchen Beziehung entschließen? Nachdem man sicherstellt, dass es einem selbst gut geht, kann es doch nur noch das Ziel sein, mit seinem Partner gemeinsames zu unternehmen und gemeinsame Ziele zu verfolgen. Dabei kommt es dann auch hin und wieder vor, dass einer der Partner Unterstützung braucht und sich richtigerweise auf den Standpunkt stellt, dass der Partner ja auch dafür da ist, eben um in solchen Fällen zu helfen. Nur wenn ich akzeptiere, dass auch meine Partnerin Zeit braucht, um aufzutanken, wenn ich diesbezüglich ihr gegenüber rücksichtsvoll und verständnisvoll bin, kann auch Sie gestärkt und mit Kraft für mich da sein und auch für unsere Beziehung. Gleiches Recht für alle. Was für den Mann gilt, gilt genauso für die Frau. Auch für sie ist es wichtig, zuerst selbst in einen guten Zustand zu kommen, denn nur dann kann sie für die anderen da sein. Männer müssen das akzeptieren und den Frauen auch die Möglichkeit einräumen, sich entsprechend zu fühlen.
Glauben heißt nicht wissen. Erst durch geeignete Fragen erzielt man Gewissheit und erst auf Basis dieser Gewissheit kann eine Aktion zum Erfolg führen.
Einer der Standardfehler von Menschen: Gedanken lesen. Man muss davon ausgehen, dass ein anderer Mensch zwangsläufig anders denkt und fühlt als man selbst. Immer, wenn man versucht seine Vorlieben eins zu eins auf andere zu übertragen, zieht man zwangsläufig den Kürzeren. Jeder Mensch verfügt über eigene Erfahrungen und hat diese Erfahrungen auch jeweils anders interpretiert. Allein aus diesem Grunde müssen die Annahmen über die Gedanken eines anderen Menschen falsch sein.
Die Qualität der Fragen entscheidet über die Qualität Ihres Lebens. Nur stärkende Fragen führen zu Ergebnissen und aus dem Sumpf, egal wie tief dieser ist.
Schwächende Fragen führen immer tiefer hinein, bis man ertrinkt. Was nützt es, wenn man sich zum 100sten Mal fragt: „Warum ist mir das wieder passiert“? Viel besser ist doch die Frage: „Was kann ich aus dieser Situation lernen und wie kann ich es in Zukunft besser machen“? Diese Fragen sind stärkend und helfen immer. Alternativ kann man auch noch folgende Frage nutzen, um aus dem tiefsten Sumpf herauszukommen: „Was kann ich jetzt, sofort und unmittelbar, tun, um Spaß zu haben?“ Mit dieser Frage ändert man seinen Fokus, indem man nicht mehr länger das Problem analysiert, sondern nach einer Lösung sucht.
Nachdem sich unser Held diese Zusammenfassung noch mehrmals durchgelesen hatte, war er sehr zufrieden. Ja, er war inzwischen auch: „Ein Meister der Beziehung!“
Und nun weißt du, warum die Titelfigur in dieser Geschichte von Anfang an als Held bezeichnet wurde.
Nena wählte seine Nummer. Es klingelte zweimal bevor er den Anruf beantwortete. Sie hörte seine sonore Stimme und vernahm sein „Hallo“. Der Meister der Beziehungen meldete sich nie mit Namen.
Nena sagte „Danke“ und legte auf.